Persönlicher Stab Reichsführer-SS
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Persönlicher Stab Reichsführer-SS
Geschichte des Bestandsbildners
Mit Wirkung vom 9. November 1936 Umwandlung der Chefadjutantur des Reichsführers SS in die Organisationseinheit"Der Reichsführer-SS Persönlicher Sta"; Funktion des Persönli‧chen Stabs Reichsführer SS - eines der Hauptämter der Reichsführung SS - als sachbear‧beitende Dienststelle des Reichsführers SS für Aufgaben, die nicht in die Zuständigkeit von Fachressorts der SS fielen; Ämtergliederung des Persönlichen Stabs Reichsführer SS in den Jahren 1942-1944: Amt Wewelsburg, Amt Ahnenerbe, Amt Lebensborn, Amt/Abteilung Presse, Amt München (künstlerische und architektonische Aufgaben in Verbindung mit dem SS-Wirt‧schafts-Verwaltungshauptamt), Amt Rohstoffe/Rohstoffamt, Amt für Volkstumsfragen, Zen‧tralinstitut für optimale Menschenerfassung (statistische und praktische Auswertung der"Menschenerfassun" bei SS und Polizei), Amt Stabsführung (interne Angelegenheiten des Stabs und der Ämter)
Langtext:
Als Heinrich Himmler im Alter von 28 Jahren durch Verfügung Hitlers vom 20. Januar 1929 zum Reichsführer-SS ernannt wurde, zählten zur SS, damals noch eine Sonderformation der SA, lediglich rund 280 Mann. Oberstes Führungsorgan der im Frühjahr 1925 zum persönlichen Schutz Hitlers und zum Versammlungsschutz aufgestellten"Schutzstaffeln der NSDA", deren Kürzel"S" wohl zur bekanntesten die Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland und Europa symbolisierenden Chiffre werden sollte, war die"Oberleitung der Schutzstaffeln der NSDA", die organisatorisch als Teil der Obersten SA-Führung in München fungierte. Auf dem Höhepunkt des zweiten Weltkriegs, zum 30. Juni 1944, umfaßte die SS dann knapp 800000 Mitglieder, davon allerdings allein beinah 600000 in der Waffen-SS [1]. Der bürokratische Apparat der SS war in diesen 15 Jahren durch Errichtung immer neuer Ämter, Hauptämter und sonstiger zentraler Einrichtungen auf der obersten Führungsebene und durch Bildung zahlreicher nachgeordneter Dienststellen und Institutionen ins Riesenhafte angewachsen. Gleichzeitig hatte sich - auch als Folge von Himmlers Führungsprinzip der Spaltung von Kompetenzen einerseits und der Verknüpfung institutionell aufgeteilter Kompetenzen durch Personalunion andererseits - das Organisationsgeflecht in der Spitze der zu einem, wenn nicht dem entscheidenden Herrschaftsinstrument gewordenen SS [2] als nahezu unüberschaubar herausgestellt.
Die formale Loslösung der SS von der SA geschah in zwei Schritten. Der Mitteilung Himmlers an die SS vom 1. Dezember 1930, wonach"die restlose Trennung von SA und SS vollzoge" sei [3], war eine Anordnung Hitlers als des Obersten SA-Führers vom 14. Januar 1931 gefolgt, daß der Reichsführer-SS als Führer der Gesamt-SS dem Chef des Stabes, die SS als selbständiger Verband mit eigenem Dienstwege dem Reichsführer-SS unterstellt sei [4]. Mit der durch Hitlers am 20. Juli 1934 verfügten"Erhebun" der SS"zu einer selbständigen Organisation im Rahmen der NSDA" fand dann die Bindung der SS an die SA ihren endgültigen Abschluß. Begründet wurde dies mit den großen Verdiensten,"besonders im Zusammenhang mit den Ereignissen des 30. Juni 193" [5], also des sogenannten"Röhm-Putsche". Gleichzeitig wurde der Reichsführer-SS, wie der Stabschef der SA, Hitler direkt unterstellt.
1929 hatte die Reichsführung-SS, die zunächst noch einen"Geschäftsführer der Oberleitun" kannte, im Rahmen der damals ebenso gering entwickelten Obersten SA-Führung einen sehr bescheidenen Zuschnitt. Der von Himmler betriebene institutionelle Ausbau der SS-Führungsspitze verlief deutlich parallel zur Entwicklung der Obersten SA-Führung, nachdem Ernst Röhm diese als Stabschef im Januar 1931 übernommen hatte. Wie bei dieser entstanden bis Mai 1931 in der Reichsführung-SS mehrere Abteilungen und Referate in folgender Gliederung [6]:
Ia
Gliederung, Ausbildung, Sicherheitsdienst
Ib
Motorisierung, Transportwesen
Ic
Nachrichtenwesen, Presse
Id
Bekleidung, Verpflegung, Unterkunft
Iia
Personalabteilung, Stellenbesetzung
Iib
Stärkennachweise
III
Ehrenangelegenheiten, Rechtsangelegenheiten
Iva
Geldverwaltung
Ivb
Ärztliche Versorgung der SS (Reichsarzt-SS)
V
Propaganda
Aus diesen Organisationseinheiten entwickelte sich im Jahre 1932 das SS-Amt. Das Referat Ic wurde zum SD-Amt, ein Rasseamt, später Rasse- und Siedlungsamt, Anfang 1932 neu geschaffen.
Das SD-Amt, später SD-Hauptamt, nahm mit der Ernennung Himmlers zum Inspekteur der Preußischen Polizei am 20. April 1934 und der Funktion Reinhard Heydrichs als Leiter sowohl des Geheimen Staatspolizeiamtes als auch des SD-Hauptamtes eine von der engeren Reichsführung-SS getrennte Entwicklung, die 1939 im Zusammenschluß von SD-Hauptamt und Hauptamt Sicherheitspolizei zum Reichssicherheitshauptamt mündete [7]. Zwar zählte das Reichssicherheitshauptamt ebenso wie das Hauptamt Ordnungspolizei, der Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums und die Volksdeutsche Mittelstelle nach dem Verständnis von SS und NSDAP zur Organisation der SS-Führung; diese Behörden nahmen jedoch jenseits der gemeinsamen Führung durch Himmler als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei bzw. als Reichskommissar für die Festigung Deutschen Volkstums und der Verknüpfung von staatlichen und parteiamtlich geprägten Aufgaben im wesentlichen staatliche Funktionen wahr [8].
Das SS-Amt von 1932, das ab 1935 als SS-Hauptamt firmierte [9], wurde unter Veränderung seiner Aufgaben bis in die Kriegsjahre hinein zur Keimzelle neuer Hauptämter. Sie entstanden beim immer stärkeren Ausbau der Reichsführung-SS durch zunehmende Führungs- und Verwaltungsaufgaben: Aufbau der bewaffneten Verbände, Aufbau und Führung der Waffen-SS im Kriege, Verwaltung der Konzentrationslager (KL) und der Wirtschaftsunternehmungen der SS, Aktivitäten im weltanschaulich-politischen Bereich.
Der Befehl des Reichsführers-SS vom 14. Januar 1935 über die Neugliederung in der Reichsführung-SS mit Wirkung vom 20. Januar 1935 nannte neben dem SS-Hauptamt, dem SD-Hauptamt und dem Rasse- und neben dem SS-Hauptamt, dem SD-Hauptamt und dem Rasse- und Siedlungshauptamt auch den"Stab Reichsführer-S". Dieser gliederte sich in Chefadjutantur, Personalkanzlei, SS-Gericht, Revisionsabteilung und Stabskasse [10]. Aus der Chefadjutantur sollte dann später das Hauptamt Persönlicher Stab Reichsführer-SS entstehen. Der Stab Reichsführer-SS und das SS-Hauptamt waren dadurch personell eng miteinander verknüpft, daß die Chefs einzelner Ämter des Hauptamtes zugleich Funktionen im Stab wahrnahmen. So korrespondierten im
SS-Hauptamt:
Stab Reichsführer-SS:
Personalamt (II)
Personalkanzlei (II)
Gerichtsamt (III)
SS-Gericht (III)
Verwaltungsamt (IV)
Verwaltungschef-SS und Reichskassenverwalter (IV)
Sanitätsamt (V)
Reichsarzt-SS (V)
Dazu kamen im SS-Hauptamt noch das Führungsamt (I) und das Ergänzungsamt (VI) sowie - dem Chef des SS-Hauptamts unmittelbar unterstellt - der Inspekteur der KL und der SS-Wachverbände, ab 1936 der SS-Totenkopfverbände, und, ab Herbst 1935, der Inspekteur der Verfügungstruppe.
Nacheinander entstanden in der Folge aus den entsprechenden Organisationseinheiten im SS-Hauptamt bzw. im Stab Reichsführer-SS
1939:
-
das SS-Personalhauptamt für die Personalangelegenheiten der SS-Führer
[11],
-
das Hauptamt SS-Gericht [12],
-
das Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft [13], das ab 1942 mit dem Hauptamt Haushalt und Bauten des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei und dem SS-Verwaltungsamt zum SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt vereinigt wurde [14],
1940:
-
das SS-Führungshauptamt"zur militärischen Führung der Waffen-SS und vor- und nachmilitärischen Ausbildung der Allgemeinen S" [15],
-
die"Dienststelle SS-Obergruppenführer Heißmeye", die Nationalpolitische Erziehungsanstalten und Heimschulen im Geschäftsbereich des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung beaufsichtigte, gleichsam die Vorstufe eines geplanten Hauptamtes Nationalpolitische Erziehung [16].
Dem SS-Hauptamt unter seinem Leiter SS-Gruppenführer Gottlob Berger verbliebenen im wesentlichen das Erfassungs- und Ergänzungswesen sowie Angelegenheiten der Schulung, insbesondere der in den"germanischen Länder" rekrutierten SS-Angehörigen.
Neben diesen Hauptämtern und Ämtern hatte sich Himmler schon früh eine eigene Geschäftsstelle zur Lenkung des Apparates und zur Aufsicht über ihm direkt unterstellte Institutionen und außerhalb der Ämter verbleibender Aufgaben in seiner Adjutantur geschaffen. In sie war am 15. Juni 1933 der mit Himmler gleichaltrige SS-Hauptsturmführer Karl Wolff [17] als hauptamtlicher Adjutant eingetreten. Wolff wurde sehr bald der engste Vertraute Himmlers, begleitete ihn auf Reisen und nahm an seinen Führungsaufgaben teil. Im Jahre 1935 wurde er Chefadjutant.
Der Aufwertung der Chefadjutantur als einer ihrer ursprünglichen Aufgabe entwachsenen Institution trug Himmler Rechnung, als er sie mit Befehl vom 9. November 1936 zum Persönlichen Stab umwandelte [18]:
"1.) Mit Wirkung vom 9. November 1936 erhält die bisherige Chef-Adjutantur des Reichsführers-SS in Anbetracht ihrer Größe und ihres im Laufe der Jahre stark erweiterten Dienstbereichs die Bezeichnung"Der Reichsführer-SS Persönlicher Sta".
2.) Zum Chef des Persönlichen Stabes ernenne ich den SS-Brigadeführer Wolff.
3.) Die neu zu errichtende Adjutantur des Reichsführers-SS bildet eine Abteilung des Persönlichen Stabes"
Die gleichzeitige Erhebung des Persönlichen Stabes zu einem Hauptamt war nicht nur nicht ausgesprochen, sondern vermutlich auch nicht intendiert. Die zunehmenden Aufgaben des Persönlichen Stabes einerseits und die Rücksichtnahme auf die Stellung Wolffs gegenüber den 1939 neu etablierten Hauptamtschefs mögen Himmler bewogen haben, einen anderen Befehl vom 9. November 1936 später, im Jahre 1939, nachträglich dahin zu interpretieren, daß er den Persönlichen Stab bereits damals zu einem Hauptamt erhoben habe. In diesem Befehl vom 9. November 1936 [19] über die"Neuordnung der Befehlsverhältnisse in der Gesamt-S" hatte er die"Gliederung der Dienststelle Der Reichsführer-S" folgendermaßen bekanntgegeben: SS-Hauptamt, SD-Hauptamt, Rasse- und Siedlungshauptamt, Reichsführer-SS Persönlicher Stab; außerdem hatte der Chef der Ordnungspolizei, SS-Obergruppenführer Daluege, den Rang eines Hauptamtschefs. Im Befehl vom 1. Juni 1939, mit dem er das SS-Personalhauptamt und das Hauptamt SS-Gericht bildete, griff er diesen Befehl wieder auf und formulierte, daß er als Hauptämter eben diese"festgesetzt hatt". Noch im Befehl vom 20. April 1939 zur Gründung des Hauptamtes Verwaltung und Wirtschaft hatte er jedoch erklärt, daß dieses"ein Hauptamt wie die übrigen Hauptämter der Reichsführung-SS (SS-Hauptamt, SD-Hauptamt, Rasse- und Siedlungshauptamt, Hauptamt Ordnungspolizei und Hauptamt Sicherheitspolizei" sei. Noch hier also war von einem Hauptamt Persönlicher Stab nicht die Rede. Wolff wurde erst am 8. Juni 1939 rückwirkend zum Hauptamtschef ernannt [20].
Funktion und Aufgabe des Persönlichen Stabes sind in einer Weisung vom 3. April 1937 zur Befehlsführung und Sachbearbeitung im Geschäftsbereich des Reichsführers-SS [21] folgendermaßen beschrieben:"Der Persönliche Stab des Reichsführers-SS ist sachbearbeitende Dienststelle des Reichsführers-SS für diejenigen Angelegenheiten, die nicht in die Tätigkeitsbereiche der Chefs des SS-Hauptamtes, des SD-Hauptamtes, des Rasse- und Siedlungshauptamtes oder der sachbearbeitenden Zentralstellen gehören. Der Chef des Persönlichen Stabes hat alle Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Chefs des SS-Hauptamtes, des SD-Hauptamtes, des Rasse- und Siedlungshauptamtes oder der sachbearbeitenden Zentralstellen fallen, zuständigkeitshalber endgültig an diese abzugeben.
Der Chef des Persönlichen Stabes führt gleichzeitig die Aufsicht über
a) die Adjutantur des Reichsführers-SS,
b) die Eingangstelle des Reichsführers-SS,
c) die Kanzlei des Reichsführers-S".
Zwei Merkmale des Persönlichen Stabes sind damit aufgezeigt: Er sollte keine Aufgaben in Konkurrenz zu den Fachressorts der SS ausüben, sollte hingegen Himmlers sachbearbeitende Dienststelle für Aufgaben außerhalb dieser Ressorts sein, d.h. wenigstens z.T. die Fachaufsicht über Himmler unmittelbar unterstehende Institutionen ausüben. Die Funktion des Persönlichen Stabes als einer"zentralen Befehlsstelle der Reichsführung-S" [22], die die Qualität seiner Aktenüberlieferung und damit des hier zu beschreibenden Archivalienbestandes bewirkt hat, ist hier nicht angesprochen. Beim Persönlichen Stab ressortierten darüber hinaus eine Anzahl von Chefstellen, deren Inhaber in Personalunion als Chefs der entsprechenden Ämter im SS-Hauptamt oder im SS-Führungshauptamt fungierten, die sich ihrerseits aber nicht zu eigenen SS-Hauptämtern entwickelten: Der Chef Reichsverteidigung war zugleich Chef des Amtes für Sicherungsaufgaben im SS-Hauptamt, später im SS-Führungshauptamt. Der Inspekteur für Leibesübungen war Chef des Amtes für Leibesübungen im SS-Hauptamt. Der Inspekteur für Nachrichtenverbindungen, zugleich Chef des Amtes Nachrichtenverbindungen im SS-Hauptamt, später im SS-Führungshauptamt, wurde in Chef des Fernmeldewesens umgenannt und firmierte gegen Kriegsende als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, Chef des Fernmeldewesens. Ab 1942 hatte er z.B. aufgrund eines persönlichen Befehls Himmlers ein weibliches Nachrichtenkorps der SS aufzustellen und auszubilden [23]. Auch der Leiter des 1938 errichteten, 1944 aufgelösten und zunächst Himmler persönlich unterstellten SS-Fürsorge- und Versorgungsamtes versah eine Chefstelle im Persönlichen Stab.
Zu den Einrichtungen, die Himmler durch den Persönlichen Stab unmittelbar lenkte, gehörten die Mitte der 30er Jahre geschaffenen wirtschaftlichen Unternehmungen der SS [24] (Nordland-Verlag GmbH, Porzellanmanufaktur Allach, Photogesellschaft F.F. Bauer GmbH, Anton Loibl GmbH, Gemeinnützige Wohnungs- und Heimstätten-GmbH und die Spargemeinschaft-SS, später SS-Spargemeinschaft e.V.), die Gesellschaft zur Förderung und Pflege Deutscher Kulturdenkmäler e.V., die Externsteine-Stiftung und die König-Heinrich I.-Gedächtnis-Stiftung. Alle diese Einrichtungen dienten in einer Wechselbeziehung zugleich finanziellen wie kulturellen, weltanschaulichen oder auch sozialen Zwecken. So kamen beispielsweise die Lizenzgebühren aus der Verwertung des Patents eines Pedalrückstrahlers für Fahrräder - der Erfinder Loibl war ein Kraftfahrer Hitlers - durch die Anton Loibl GmbH dem"Ahnenerb" e.V. und dem Verein"Lebensbor" zugute. Die Porzellanmanufaktur Allach stellte außer Gebrauchsgeschirr Geschenkartikel her, die nicht in den Handel kamen, sondern allein von Himmler über den Persönlichen Stab bzw. die SS-Adjutantur zu bestimmten Anlässen an SS-Angehörige und deren Familien sowie an andere Empfängerkreise verteilt wurden [25]. Zu den Artikeln, die für die"Geschenkkamme" Himmlers produziert wurden, zählten Lebensleuchter und Kinderfriesteller, Julleuchter und Julteller, Plastiken wie SS-Fahnenträger, SS-Reiter, Landsknecht mit Lanze, Garde du Corps, Gaukler, Dackel, Berghirsch, Trachtengruppen u.a.m. Im Persönlichen Stab waren diese Wirtschaftsbetriebe einem"Kulturrefera" zugeordnet, ausgenommen die Spargemeinschaft-SS, für die die"Abteilung Wirtschaftliche Hilf" zuständig war. Das Kulturreferat alten Zuschnitts wurde hinfällig, als 1938 alle Wirtschaftsunternehmungen dem SS-Verwaltungsamt im SS-Hauptamt wirtschaftlich und organisatorisch unterstellt wurden. Eine Ausnahme bildete die Porzellanmanufaktur Allach, die im Persönlichen Stab als"Amt Münche" institutionalisiert wurde.
Zu den 1938 wirtschaftlich dem SS-Verwaltungsamt unterstellten Einrichtungen zählten auch die Externsteine-Stiftung mit dem Zweck der Erhaltung der vermeintlichen germanischen Kultstätte in der Nähe von Detmold [26], die König Heinrich I.-Gedächtnis-Stiftung, der die Pflege und Erhaltung des Quedlinburger Domes oblag, und die Gesellschaft zur Förderung und Pflege Deutscher Kulturdenkmäler e.V., die eine Reihe von Objekten betreute, zu deren bekanntesten die Wewelsburg bei Paderborn, der Sachsenhain bei Verden/Aller und die Ausgrabungsstätte Haithabu bei Schleswig gehörten. Damit verlor auch die"Abteilung für kulturelle Forschun", die im Persönlichen Stab - zusammen mit einer Abteilung"Ausgrabunge" - bis dahin für diese Institutionen und andere Ambitionen Himmlers in kulturell-historisch orientierten Bereichen war, ihre ideelle Zuständigkeit und schließlich auch ihre organisatorische Basis.
Nutznießer war die 1935 gegründete"Lehr- und Forschungsgemeinschaft Das Ahnenerb", die seit Ende des Jahres 1936 dem Persönlichen Stab angegliedert war und ab 1. April 1942 in der Organisationsform eines Amtes zum Persönlichen Stab gehörte [27]. Wirtschaftlich unterstand das"Ahnenerb" allerdings seit 1938 ebenfalls dem SS-Verwaltungsamt.
Das"Ahnenerb" - mit Himmler als Präsident an der Spitze - hatte satzungsgemäß die Aufgabe,"Raum, Geist, Tat und Erbe des nordrassischen Indogermanentums zu erforschen, die Forschungsergebnisse lebendig zu gestalten und dem Volke zu vermittel". Zielvorstellungen, das"Ahnenerb" zum"Sammelbecken für alle kulturellen Bestrebungen des Reichsführers-S" zu machen, wurden durch Himmlers Führungsstil indessen dadurch in Frage gestellt,"daß er nicht unbedingt alles im"Ahnenerb" vereinigen wolle, um nicht zu viel wichtige und wesentliche Dinge an einer Stelle zu konzentriere" [28]. Über die frühe Konzeption hinaus versuchte sich das"Ahnenerb" im Laufe seiner komplizierten, die geistige Verirrtheit und Verworrenheit von Himmlers Ideologie und Wissenschaftsvorstellungen prägnant dokumentierende Geschichte als ebenso skurrile wie den NS-Herrschaftsvorstellungen ganz konkret dienstbare Forschungsstätte für verschiedenste Bereiche der"Kultur" und Naturwissenschaften. Während des Krieges dehnte es seine Tätigkeit weiter aus, z.B. in Form des sogenannten"Germanischen Wissenschaftseinsatze" in den besetzten"germanische" Ländern. Für seine publizistische Tätigkeit verfügte es über einen Ahnenerbe-Stiftungs-Verlag.
In unmittelbare Verstrickung mit den menschenverachtenden und verbrecherischen Praktiken des NS-Regimes geriet das"Ahnenerb" schließlich durch das ihm angegliederten"Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschun", dessen Errichtung Himmler persönlich befohlen hatte. Unter dem Deckmantel angeblich kriegswichtiger Forschungen wurden an Konzentrationslager-Häftlingen grausame Versuche vorgenommen, die mit den Namen beteiligter Ärzte wie z.B. Dr. Siegmund Rascher verknüpft sind. Pervertierte"Forschun" betrieb Prof. Dr. August Hirt an der Reichsuniversität Straßburg mit seinen anthropologischen Untersuchungen an Schädeln und Skeletten zuvor in Auschwitz getöteter"jüdisch-bolschewistischer Kommissar" [29].
Ein"Kulturobjek", das außerhalb der Zuständigkeit des"Ahnenerb" blieb, war die in Ostwestfalen gelegene Wewelsburg, mit der Himmler dem Ordensgedanken der SS eine bleibende Kultstätte zu schaffen gedachte [30]. Um ihren Ausbau blieb Himmler, bis hin zur Bepflanzung des Burghangs mit Walnußbäumen, persönlich besorgt. Organisatorisch wurde auch sie in einem Amt beim Persönlichen Stab verankert.
Ein weiteres Amt im Persönlichen Stab, das einen Verein repräsentierte, war das Amt Lebensborn. Der Verein"Lebensbor" war 1936 gegründet worden und hatte - entgegen nach Kriegsende publizierten, auf eine besondere Neugierde der damaligen Leserschaft abhebenden Unsinnigkeiten über"SS-Zuchtanstalte" - satzungsgemäß den Zweck, ganz im Sinne der NS-Rassenideologie und -Bevölkerungspolitik"rassisch und erbbiologisch wertvoll" kinderreiche Familien zu unterstützen und ledigen Müttern behilflich zu sein [31]. Zu deren Unterbringung wurden besondere Heime eingerichtet. In eine direkt schuldhafte Rolle geriet der"Lebensbor" während des Krieges als betreuende Organisation für"rassisch wertvoll" Kinder, deren Eltern verfolgt, in Konzentrationslager verbracht oder getötet worden waren; zu ihnen zählten beispielsweise die Kinder der Einwohner von Lidice und Lezáky, die im Zuge der Vergeltungsmaßnahmen für das Attentat auf Reinhard Heydrich erschossen oder in Konzentrationslager eingewiesen worden waren, und Kinder, deren Eltern als Angehörige der tschechischen Widerstandsbewegung hingerichtet worden waren [32].
Die Pressebeobachtung war ein frühes Anliegen Himmlers. Das spätere Amt Presse im Persönlichen Stab hatte die Aufgabe, Himmler über Pressenachrichten auf dem Laufenden zu halten. Darüber hinaus oblagen ihm die Zusammenarbeit mit Presselenkungsstellen von Partei und Staat, gewisse Zensuraufgaben sowie der Aufbau von Wort- und Bilddokumentationen. Das Amt bereitete u.a. auch ein"Organisationsbuch der S" vor, da nach dem Urteil seines Leiters"nur sehr wenige SS-Führer einen vollständigen Überblick über die Organisation des Arbeitsbereichs des Reichsführers-SS im einzelnen haben [33].
Zur Wahrnehmung von Aufgaben, die Himmler im Rahmen des 2. Vierjahresplans zugekommen waren, wurde ein"Amt Vierjahrespla" im Persönlichen Stab geschaffen. Es hatte mitzuarbeiten bei der Beschaffung von Arbeitskräften, bei der Bewirtschaftung von Bau- und Rohstoffen, bei energiewirtschaftlichen Problemen und bei einschlägigen Forschungsarbeiten. Im Jahre 1942 wurde es"stillschweigen" aufgelöst und in das"Rohstoffam" eingebracht [34], das aus dem Stabsamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums hervorgegangen war [35].
Eine sehr frühe Dienststelle, die Himmler bleibend mit dem Persönlichen Stab organisatorisch verknüpfte, war das von Dr. Ernst Robert Grawitz bis Kriegsende geleitete Amt"Reichsarzt SS und Polize". Grawitz ist weniger bekannt geworden als Dr. Karl Gebhardt, der Chefarzt des SS-Lazaretts Hohenlychen, in dessen Behandlung Himmler sich sehr häufig begeben hat und der als"Oberster Kliniker beim Stab Reichsarzt SS und Polize" firmierte [36]. Endlich sind die"SS-Mannschaftshäuse" zu nennen; sie dienten seit Mitte der 30er Jahre der Zusammenfassung der SS-Angehörigen an den Hochschulen"zur Heranbildung des von der SS benötigten wissenschaftlichen Nachwuchse", wie Himmler 1939 formulierte [37], als er diese Einrichtung dem Rasse- und Siedlungshauptamt entzog und zu einer"Dienststelle der SS im Persönlichen Sta" machte.
Stellenplänen und Aufgabenbeschreibungen zufolge [38] hatte der Persönliche Stab Reichsführer-SS in den Jahren 1942/44 folgende Gliederung und Besetzung:
Chef des Persönlichen Stabes Reichsführer-SS
SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Karl Wolff
Ämter
Amt Wewelsburg:
SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Siegfried Taubert, Burghauptmann der SS-Schule"Haus Wewelsbur"
Amt Ahnenerbe:
SS-Oberführer Professor Dr. Walter Wüst, Kurator und Amtschef; SS-Standartenführer Wolfram Sievers, Reichsgeschäftsführer und stellvertretender Amtschef
Amt Lebensborn:
SS-Standartenführer Max Sollmann, Vorstand und Amtschef
Amt/Abt. Presse:
SS-Obersturmbannführer Gerhard Radke, später SS-Obersturmführer Otto Behrendt
Amt München:
SS-Standartenführer Professor Karl Diebitsch (Bearbeitung aller künstlerischen und architektonischen Fragen in Verbindung mit dem SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt)
Amt Rohstoffe/Rohstoffamt:
SS-Standartenführer Albert Kloth
Amt für Volkstumsfragen:
SS-Brigadeführer Erich Cassel, Amtschef und Verbindungsführer zur Reichsleitung der NSDAP und den Dienststellen des Reichsführers-SS
Zentralinstitut für optimale Menschenerfassung:
SS-Obersturmbannführer Dr. Albert Bartels (Statistische und praktische Auswertung der gesamten"Menschenerfassun" in SS und Polizei)
Amt Stabsführung:
Stabsführer SS-Oberführer Otto Ullmann, ab Februar 1943 SS-Standartenführer Paul Baumert (zuständig für alle internen Angelegenheiten des Stabes und der Ämter)
mit den unmittelbar unterstellten
Hauptabteilungen:
SS-Adjutantur:
SS-Obersturmbannführer Werner Grothmann
Polizei-Adjutantur:
Oberstleutnant der Schutzpolizei Willy Suchanek und SS-Hauptsturmführer Martin Fälschlein
Persönliches Referat Reichsführer-SS:
SS-Standartenführer Dr. Rudolf Brandt, Ministerialrat, Persönlicher Referent des Reichsführers-SS und Reichsminister des Innern
Sachbearbeiter Chef Persönlicher Stab (S.B.Ch.P.):
SS-Obersturmführer Heinrich Heckenstaller
Orden und Gäste:
SS-Standartenführer Hans von Uslar, später SS-Sturmbannführer Dr. Helmut Fitzner
Verwaltung:
SS-Hauptsturmführer Oskar Winzer, später SS-Obersturmbannführer Christian Mohr (Verwaltung des Stabes und der unterstellten Ämter)
Wirtschaftliche Hilfe:
SS-Sturmbannführer Dr. Helmut Fitzner (Entschuldungs- und Darlehensangelegenheiten für die SS)
Personal:
SS-Hauptsturmführer Fritz Breitfeldt
SS-richterlicher Verbindungsführer:
SS-Standartenführer Horst Bender
Der Beauftragte für das Diensthundewesen beim Reichsführer-SS:
SS-Oberführer Franz Mueller (Darß) (Diensthundefragen der Waffen-SS und Polizei beim Reichsführer-SS)
und
Abteilungen:
-
Auszeichnungen und Orden (unterstellt der SS-Adjutantur; Bearbeitung hoher Auszeichnungen in Waffen-SS und Polizei)
-
Schriftgutverwaltung und Geschäftszimmer (Schriftgut-Registrierung und -Verwahrung)
-
Nachrichtenstelle (Überwachung der gesamten Nachrichtenmittel der Berliner Dienststelle des Reichsführers-SS)
-
Fahrdienst
-
Kommandeur der Stabsabteilung der Waffen-SS (Führung und Betreuung sämtlicher zum Persönlichen Stab versetzten Waffen-SS-Angehörigen).
In dieser Übersicht ist eine Reihe von weiteren Einrichtungen noch erwähnt, die Himmler persönlich unterstanden, im Persönlichen Stab"bearbeite" wurden und dort aktenmäßig belegt sind. Dazu zählten z.B. der Reichsführer-SS Persönlicher Stab, Abteilung F, SS-Lager Dachau - Haus 13, Ernährungswissenschaftliches Versuchsgut. Leiter war Dr. Karl Fahrenkamp; seine Aufgabe bestand vor allem in der Entwicklung von Präparaten u.a. zur Förderung des Pflanzenwachstums. Etwa 1940 wurde die Dienststelle Inspekteur für Statistik eingerichtet. Sie führte ab Januar 1944 die Bezeichnung Statistisch-wissenschaftliches Institut des Reichsführers-SS, wurde von Dr. Richard Korherr geleitet und war mit der Anfertigung statistischer Arbeiten für Himmler beauftragt. Zu nennen in diesem Zusammenhang sind noch ad hoc gebildete Sondereinrichtungen wie der Beauftragte des Reichsführers-SS im Stab des Sonderbeauftragten für die Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes, General von Unruh, SS-Standartenführer Harro With, und der Reichsführer-SS Sonderstab Oberst Streck, der Zuschriften über Mißstände in Dienststellen und Truppen zu verfolgen hatte. Einem weiteren der zahllosen Interessenbereiche Himmlers, dem der Erschließung von Rohstoffen im Kriege, ist wohl zuzuschreiben, daß er nicht nur sehr persönlich z.B. um die Zucht von Karakulschafen und perennierendem Roggen oder um die Gewinnung von Ölschiefer besorgt war, sondern daß er sich von Göring offiziell zum Sonderbeauftragten für alle Fragen des Pflanzenkautschuks ernennen ließ [39]. Mit großem Aufwand wurden in den besetzten polnischen und sowjetischen Gebieten Anbauversuche mit Kok-Sagys, einer im europäischen Rußland vorkommenden Pflanze, unternommen, um daraus für die deutsche Kriegswirtschaft verwertbare Mengen von Naturgummi zu gewinnen.
Die Geschäfte des Persönlichen Stabes im engeren Sinne führte das Amt Stabsführung mit den unterstellten Hauptabteilungen und Abteilungen. Die anderen Ämter - das Amt für Volkstumsfragen und das Zentralinstitut für optimale Menschenerfassung (mit Aufgaben statistischer Arbeitskräfteerfassung unter Anwendung des Hollerith-Verfahrens), die erst gegen Kriegsende errichtet wurden und anscheinend ohne Bedeutung und Aktenniederschlag blieben, wurden nur der Vollständigkeit wegen aufgeführt - gehörten zum Persönlichen Stab, hatten jedoch getrennte Dienstsitze und eigene Registraturen.
Die wichtigsten Organisationseinheiten im Amt Stabsführung waren die Hauptabteilungen Persönliches Referat Reichsführer-SS und S.B.Ch.P. (Sachbearbeiter Chef Persönlicher Stab) sowie die Adjutanturen. Der Beauftragte für das Diensthundewesen arbeitete außerhalb der Dienststelle Persönlicher Stab. Der SS-richterliche Verbindungsführer befand sich zwar stets in der Umgebung Himmlers, führte jedoch seine Amtsgeschäfte getrennt vom Amt Stabsführung; seine Registratur ging in die Schriftgutverwaltung des Persönlichen Stabes nicht ein [40].
Die wesentliche Aufgabe Wolffs als Chef des Persönlichen Stabes bestand darin, Himmler als engster Mitarbeiter und Vertrauter bei seinen Führungsaufgaben zu unterstützen. Durch die Ernennung zum Verbindungsführer des Reichsführers-SS bei Hitler am 26. August 1939 wandelte sich seine Funktion. Er hielt sich nunmehr in unmittelbarer Umgebung Hitlers, d.h. auch in dessen Feldquartieren auf. Ohne eine fachliche Kompetenz zu haben, sollte er Himmler über die Entwicklung im Führerhauptquartier auf dem Laufenden halten und für Rückfragen aus dem Führerhauptquartier zur Verfügung stehen. Die dem Chef Persönlicher Stab unmittelbar zuarbeitende Stelle war die Hauptabteilung S.B.Ch.P. (Sachbearbeiter Chef Persönlicher Stab). Der Amtsinhaber oder einer seiner Mitarbeiter hatte jeweils bei Wolff im Führerhauptquartier Dienst zu tun [41].
Als Wolff im Februar 1943 schwer erkrankte, übernahm Himmler die Führung des Hauptamtes Persönlicher Stab zunächst"bis auf weitere" selbst. Wolff kehrte in diese Position nicht mehr zurück; nach seiner Genesung im Sommer 1943 bereitete er sich auf seine Funktion in Italien vor [42]. Himmler ernannte keinen neuen Chef des Persönlichen Stabes, sondern nahm diese Funktion auch weiterhin selbst wahr. Die Hauptabteilung S.B.Ch.P. löste er auf.
Der engste Mitarbeiter Himmlers war nach Wolff, insbesondere seit Wolffs Ernennung zum Verbindungsführer bei Hitler und schließlich zum Höchsten SS- und Polizeiführer in Italien, sein persönlicher Referent Dr. Rudolf Brandt. Dessen ohnehin großes Aufgabengebiet erweiterte sich mit der Ernennung Himmlers zum Reichsminister des Innern um die Bearbeitung von Aufgaben auch aus dem Bereich dieses Ministeriums. Brandt arbeitete stets in der unmittelbaren Nähe Himmlers. Seine Befugnisse reichten über die eines persönlichen Referenten, der Himmler auch auf Reisen begleitete und z.B. als ausgebildeter Stenograph die Reden Himmlers aufnahm, weit hinaus. Er entschied darüber, welche Post Himmler vorgelegt wurde oder nicht, hielt täglich Vortrag über anliegende Probleme, setzte Weisungen des Reichsführers-SS selbständig um und wehrte Anliegen ab, wenn sie vom Inhalt oder Zeitpunkt her als Himmler nicht vorlegbar erschienen. Auch ohne die Entscheidungen Himmlers persönlich einzuholen, konnte er in Einzelfällen dessen Entscheidung oder Meinung als gegeben voraussetzen und entsprechend handeln.
Die Polizeiadjutanten hatten im wesentlichen"vortragend" bzw."übermittelnd" Funktionen. Die Polizeiadjutantur war die Geschäftsstelle der beiden Verbindungsführer des Reichssicherheitshauptamtes und des Hauptamtes Ordnungspolizei. Suchanek befand sich im Kriege stets in Himmlers Feldkommandostelle, während Fälschlein den Dienst in Berlin versah. Im Unterschied zu der Polizeiadjutantur übte die SS-Adjutantur neben der Aufgabe der Adjutanten, den Reichsführer-SS zu"begleite", auch sachbearbeitende Tätigkeit wie Terminfestlegungen, Reisevorbereitungen, Bearbeitung von Einladungen, Glückwünschen und Geschenken aus. Sie bearbeitete außerdem sachliche und personelle Angelegenheiten der Waffen-SS, hielt Kontakt zum SS-Hauptamt und SS-Führungshauptamt sowie zu den Fronteinheiten der Waffen-SS. In München, Karlstraße 10, unterhielt die SS-Adjutantur eine Zweigstelle, besetzt mit SS-Hauptsturmführer Schnitzler. Dienstsitz des Persönlichen Stabes war das Gebäude Prinz Albrecht-Straße 8 in Berlin, das zugleich Dienstsitz Himmlers als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern sowie des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD (Reichssicherheitshauptamt) war [43].
Im Kriege arbeitete Himmler sehr häufig in verschiedenen"Feldkommandostelle". Zu den beständigsten Aufenthaltsorten zählte die Feldkommandostelle"Hochwal" in einem Wald bei Großgarten in Ostpreußen, ca. 40 km entfernt vom Führerhauptquartier"Wolfsschanz" [44]. Kommandant der Feldkommandostelle Reichsführer-SS und für deren Sicherheit verantwortlich war der SS-Obersturmbannführer Josef Tiefenbacher. Ihm unterstanden die SS- und Polizei-Begleiteinheiten sowie der Sonderzug"Steiermar", Himmlers rollende Feldkommandostelle, der ihn zu den gewünschten Zielorten brachte oder ihn auch Hitlers Sonderzug folgen ließ. Dies geschah beispielsweise nach dem deutschen Einmarsch in Jugoslawien im April 1941, als Himmlers Sonderzug in Hitlers Nähe in Bruck/Murr abgestellt wurde. Seine Autokolonne hatte die Bezeichnung"Sonderzug Heinric". In der Nähe von Hitlers Führerhauptquartier"Wehrwol" bei Winniza in der Ukraine hatte Himmler seine Feldkommandostelle"Hegewal" in einem volksdeutschen Siedlungsgebiet südlich von Shitomir errichtet.
Die zunehmenden Luftangriffe auf Berlin machten es nötig, Ausweichquartiere außerhalb der Stadt zu suchen. Diese nahmen offenbar größere Bereiche der Dienststelle auf und verfügten über Einrichtungen, die der Sicherheit Himmlers und seines engeren Mitarbeiterstabes auch bei längerer Anwesenheit gerecht werden konnten. Das größte und systematisch ausgebaute Objekt war anscheinend die Ausweichstelle"Birkenwal" bei Prenzlau (Uckermark). Auf einem von der Stadtverwaltung überlassenen Areal von ca. 290.000 m2 mit einigen festen Gebäuden erfolgten Ausbauten bis in die letzten Kriegsmonate; die Verlegung eines Anschlußgleises für den Sonderzug"Steiermar" befand sich im November 1944 noch im Planungsstadium. Die Ausweichstelle hatte auch Unterkünfte für Himmler, seinen persönlichen Referenten und die Adjutanten. Für das Jahr 1944 ist in den Akten des Persönlichen Stabes die Existenz der Ausweichstellen"Bergwal" und"Tannenwal" nachgewiesen, ebenso auch für März 1945 das Ausweichlager"Frankenwal" in Bad Frankenhausen (Krs. Sondershausen/Thüringen) [45].
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[1] Vgl. die Angaben des Statistisch-wissenschaftlichen Instituts des Reichsführers-SS in NS 19/1471.
[2] Vgl. Hans Buchheim, Die SS - Das Herrschaftsinstrument. Befehl und Gehorsam (Anatomie des SS-Staates, Bd. 1), Olten und Freiburg i. Br 1965.
[3] SS-Befehl Nr. 20 vom 1. 12. 1930 (NS 19/1934).
[4] SA-Befehl Nr. 1 (gleichzeitig für SS) vom 16. 1. 1931 (NS 19/1934).
[5] Verfügung Hitlers vom 20. 7. 1934 bei Gerd Rühle, Das Dritte Reich, 1934, S. 237.
[6] Stabsbefehl vom 12. 5. 1931 (NS 19/1934).
[7] Vgl. Shlomo Aronson, Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD, Stuttgart 1971 sowie Buchheim (oben Anm. 3).
[8] Vgl. Das Bundesarchiv und seine Bestände, hrsg. von Gerhard Granier, Josef Henke, Klaus Oldenhage, 3. Aufl., Boppard 1977, S. 41 ff., 51 und 53.
[9] Bundesarchiv-Bestand NS 31.
[10] SS-Hauptamt, Stabsbefehl Nr. 6 (NS 31/70). In einem Befehl zur Umbildung der Reichsführung-SS vom 9.2.1934 hatte Himmler für seinen Stab mit den Abteilungen I. Adjutantur, II. Personalabteilung, III. Gerichtsabteilung, IV. Revisionsabteilung und V. Pressabteilung lediglich die Dienstbezeichnung"Der Reichsführer-S" verfügt (NS 17/135, Kopie in NS 19/4041).
[11] Befehl vom 1.6.1939 (NS 19/3901); Restakten des SS-Personalhauptamtes im Bundesarchiv-Bestand NS 34.
[12] Ebenfalls Befehl vom 1.6.1939 (ebd.); Bundesarchiv-Bestand NS 7.
[13] Befehl vom 20.4.1939 (NS 19/1166).
[14] Befehl vom 19.1.1942 (NS 19/3904); Bundesarchiv-Bestand NS 3.
[15] Befehle vom 15.8.1940 und 5.9.1940 (NS 19/3903); erhalten gebliebene Akten des SS-Führungshauptamt im Bundesarchiv-Bestand NS 33.
[16] Vgl. Befehl Himmlers vom 12.1.1941 (NS 19/3903), ferner Schreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Reichsminister der Finanzen vom 7.11.1941 (R 2/12745).
[17] Unterlagen über persönliche und privatdienstliche Angelegenheiten Wolffs finden sich in NS 19/3456 sowie in den weiteren unten in Abschnitt B. 2 beschriebenen Archivalieneinheiten; dazu auch das Wolff betreffende Dossier (Kopien) in den Unterlagen des Freundeskreises Reichsführer-SS in NS 48/81.
[18] NS 19/3901. Himmler gab den Wortlaut des Befehls in einer - lange als unvollständig überliefert geltenden - Rede anläßlich der SS-Gruppenführertagung am 8.11.1936 in Dachau bekannt (NS 19/4003; vgl. auch Anm. 72).
[19] NS 19/3902.
[20] Siehe die Wolff betreffenden Unterlagen des Freundeskreises Himmler (Kopien) in NS 48/81.
[21] NS 19/2881.
[22] Gunther "Alquen, Die SS. Geschichte, Aufgabe und Organisation der Schutzstaffeln der NSDAP, Berlin 1939, S. 24.
[23] Die erhalten gebliebenen Akten der SS-Helferinnenschule Oberehnheim befinden sich im Bundesarchiv-Bestand NS 32 II.
[24] Vgl. Anmerkung 23.
[25] Vgl. dazu z.B. die unten in Abschnitt B.1.6 beschriebenen Archivalien.
[26] Vgl. Klaus Gruna, Die Externsteine können sich nicht wehren, in: Menschen, Landschaft und Geschichte, hrsg. von Walter Först, Köln und Berlin 1965, S. 239-249.
[27] Überlieferung des"Ahnenerbe" im Bundesarchiv-Bestand NS 21. - Vgl. Michael H. Kater, Das"Ahnenerb" der SS 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, Stuttgart 1974.
[28] Aktennotiz des Reichsgeschäftsführers des"Ahnenerbe", Wolfram Sievers, vom 4.11.1937 über einen Besuch Pohls im"Ahnenerb" am 2.11.1937 (NS 21/779).
[29] Vgl. u.a. Reinhard Henkys, Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, Stuttgart und Berlin 1964, S. 66, 69 f., 247. Sievers wurde wegen der verbrecherischen Tätigkeit des Instituts im Nürnberger Ärzteprozeß zum Tode verurteilt und hingerichtet. Hirt ist seit Kriegsende verschollen. Rascher wurde noch auf Befehl Himmlers wegen einer Kindesunterschiebung hingerichtet.
[30] Vgl. Heiner Lichtenstein, Wo Himmler residieren wollte, in: Menschen, Landschaft und Geschichte (oben Anm. 29), S. 115-128 und Karl Hüser, Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation, Paderborn 2. Aufl. 1987.
[31] Vgl. Georg Lilienthal, Der"Lebensborn e.V" Ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik, Stuttgart, New York 1984.
[32] Vgl. den Schriftwechsel zur Unterbringung tschechischer Kinder 1943-1944 (NS 19/375) sowie Marc Hillel und Clarissa Henry, Lebensborn e.V. Im Namen der Rasse, Wien, Hamburg 1975.
[33] Rechenschaftsbericht des Amtschefs vom 1.11.1942 (NS 19/2985).
[34] Schreiben des SS-Standartenführers Kloth an SS-Obergruppenführer Wolff vom 3. 8. 1942 (NS 19/349).
[35] Aktenvermerk von SS-Standartenführer Kloth vom 4.10.1943 zur. Errichtung der Dienststelle m.W. vom 15.1.1942 und Schreiben des Rohstoffamtes an die Verwaltung des Persönlichen Stabes vom 22.9.1943 (NS 19/1786).
[36] Vgl. Henkys (oben Anm. 36), sowie Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10, Vols. 1-2, Washington, D. C. 1950, und Alexander Mitscherlich und Fred Mielke (Hrsg.), Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses, Heidelberg 1949.
[37] SS-Befehl vom 12.2.1939 (NS 19/3901).
[38] NS 19/2881.
[39] Ernennungsschreiben vom 9.7.1943 (NS 19/1802).
[40] Überlieferungsreste im Bundesarchiv-Bestand NS 7.
[41] Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II im Strafverfahren gegen Karl Wolff; vgl. auch Anmerkung 22.
[42] Zur Übernahme des Persönlichen Stabs durch Himmler selbst siehe NS 48/81; zu Wolffs späterer Verwendung in Italien vgl. auch NS 19/3456.
[43] Vgl. Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem"Prinz-Albrecht-Geländ". Eine Dokumentation, hrsg. von Reinhard Rürup, Berlin 8. Aufl. 1991.
[44] Vgl. Peter Hoffmann, Die Sicherheit des Diktators, München 1976, S. 219.
[45] Die Errichtung von Ausweichstellen dokumentieren im wesentlichen die unten in Abschnitt A. 1 beschriebenen Archivalien sowie weitere verstreute, über die Indices greifbare Unterlagen. Zu Birkenwald siehe vor allem NS 19/2888, 3273, 2211 und 1518.
Das besetzte Polen war neben den besetzten Gebieten der Sowjetunion dasjenige Territorium, in welchem der nationalsozialistische Terror, der Terror von Polizei und SS, die größten Ausmaße erreichte. Dass die administrative Zusammenfassung von Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst im Reichssicherheitshauptamt ausgerechnet Ende September 1939 erfolgte, einen guten Monat nach dem Überfall auf Polen, ist in dieser Hinsicht bezeichnend, sollten die Polizeikräfte in ihrer Überschneidung mit der SS im besetzten Polen doch eine ganz erhebliche Rolle spielen. Insgesamt wird an der Praxis der Polizeiorgane im besetzten Polen - nicht nur im Generalgouvernement, auch in den eingegliederten Gebieten - in besonderer Weise der - nach der Formulierung Ernst Fraenkels - maßnahmenstaatliche Charakter des Nationalsozialismus deutlich, wurde hier doch ganz offensichtlich mit großer Brutalität, Kompromisslosigkeit und vielfach unter Missachtung auch der Rechtsgrundlagen der eigenen Besatzungsverwaltung der"Sicherungsauftra" der Polizeiorgane verwirklicht. Dieser Auftrag, den Polizei und SS nach Maßgabe der verantwortlichen leitenden Stellen in Polen zu erfüllen hatten, wurde im Juli 1939 in der internen Kommunikation des Reichssicherheitshauptamtes mit der griffigen Formel der"Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Element" umrissen (vgl. hierzu: BArch, R 58/241, Bl. 169-175).
In der Praxis bedeutete dies zunächst, parallel zu einer umfangreichen Welle von Festnahmen, weitreichenden Terror in Form von Geiselerschießungen als Reaktion auf vermeintliche oder tatsächliche bewaffnete Übergriffe von Seiten der polnischen Bevölkerung auf Armeeangehörige nach der Kapitulation des Landes. Ab Frühjahr 1940 begannen die Einsatztruppen der Polizei dann zusätzlich im Rahmen der"Aktion A" mit der Liquidierung der polnischen Führungsschicht. Organe der Polizei und der SS waren naturgemäß ebenso an der ansatzweisen Durchführung der großangelegten Siedlungs- und Volkstumspläne beteiligt, welche im Umfeld von Heinrich Himmlers"Reichskommissariat zur Festigung des deutschen Volkstum" (RKF) und den Forschungsstellen des Reichssicherheitshauptamtes entworfen wurden.
Alles in allem war die Durchdringung Polens und insbesondere des Generalgouvernements mit SS- und Polizeistellen so ausgeprägt wie in keinem anderen besetzten Land Europas.
Was Kompetenzen und Handlungsspielraum von SS- und Polizei betraf, so wurde bereits in Polen nach dem insbesondere (aber nicht nur) im besetzten Osteuropa gängigen Grundsatz verfahren, dass diese zwar formal und nominell erst der Militär- und dann, ab deren Errichtung, der Zivilverwaltung unterstellt waren, aber gleichzeitig und tatsächlich ihren Terrorauftrag, von der obersten NS-Führung sanktioniert, weitgehend ungebunden und im Konfliktfall ohne Rücksicht auf andere Instanzen ausführen konnten und dies auch taten. Unterstützend hierbei wirkten noch zum einen die frühzeitige Übertragung der Standgerichtsbarkeit auf die Truppen von Polizei und SS (die bis dahin allein der Wehrmacht vorbehalten gewesen war) sowie die Etablierung einer eigenen Sondergerichtsbarkeit durch SS- und Polizeigerichte.
Ähnlich wie es für das Elsass der Fall war, wurde 1940 auch für Lothringen (Départe-ment Moselle) im Rahmen der Waffenstillstandsverhandlungen keine territoriale Regelung getroffen, die eindeutig auf eine Annektion des Gebietes durch Deutsch-land abgezielt hätte. Man wollte diese Einverleibung ebenso wie im Fall des Elsass stillschweigend betreiben, mit einer Germanisierungspolitik, die sich als Mittel zur Erreichung ihres Zieles teilweise der Vertreibung wie auch teilweise der kulturpoli-tischen Verdrängung französischer Traditionen aus dem öffentlichen Leben bediente. Die sicherheitspolizeilichen Aufgaben bestanden hier zum einen in der Unterstützung dieser Eindeutschungspolitik, zum anderen in den NS-üblichen Maßnahmen der Gegner- und Widerstandsbekämpfung.
Persönlicher Stab Reichsführer-SS