Schultes, Karl (BA NL 185)
http://lod.ehri-project-test.eu/units/de-002624-nl-ed_188 an entity of type: Record
Schultes, Karl (BA NL 185)
Schultes, Karl (BA NL 185)
1. Seit März 1982 bestanden zwischen dem Institut für Zeitgeschichte in München und dem Testamentsvollstrecker von Karl Schultes Kontakte, die eine Übergabe des vorliegenden Nachlasses zum Ziel hatten. Eine Sichtung des Nachlasses im September 1982 durch eine Mitarbeiterin des Instituts für Zeitgeschichte konnte den hohen Informationsgehalt der eingesehenen Materialien bestätigen. Nach Verhandlungen zwischen dem Testamentsvollstrecker, dem Institut für Zeitgeschichte und dem Bundesarchiv wurden die Materialien im Januar 1983 vorerst dem Institut für Zeitgeschichte in München zur vorübergehenden Nutzung überlassen. Die Erschließungsarbeiten wurden im Auftrag des Bundesarchivs durchgeführt. Frühestens nach Abschluss des SBZ (Sowjetische Besatzungszone)-Projektes in München und spätestens nach Ablauf von 15 Jahren gehen die Besitzrechte am Nachlass von Karl Schultes an das Bundesarchiv über. 2. Der gesamte Nachlass umfaßt 67 Bände und hat einen Umfang von etwa 1,5 lfd. Metern. Eine Anzahl von Verfasserschriften und anderen Drucksachen, die in keinem direkten Zusammenhang zum Nachlass standen, wurden entnommen und an das Bundesarchiv abgegeben (s. das Abgabe-Verzeichnis in der Anlage). Etwa 0,7 lfd. Meter an Unterlagen aus dem Nachlass, überwiegend Dubletten von Manuskripten, wurden kassiert. Der Nachlass selbst ist in einem außerordentlich guten Zustand. Die Korrespondenz liegt zum Teil maschinenschriftlich vor, der Großteil der Manuskripte ebenfalls. Die handschriftlichen Aufzeichnungen von Karl Schultes sind gut lesbar. Allerdings sind Korrespondenzen nicht immer vollständig erhalten. Ähnliches gilt für die Manuskriptsammlung. Hier fehlen einzelne Manuskriptteile und Absätze von handschriftlichen Vorentwürfen. Die vorhandenen Unterlagen wurden in den jeweiligen NL-Gruppen in erster Linie nach chronologischen Gesichtspunkten gegliedert. Ließ sich dies nicht durchführen, wurde eine Ordnung nach inhaltlichen Kriterien vorgenommen (s. Manuskriptsammlung). 3. Der Nachlass von Karl Schultes besteht aus drei unterschiedlichen Gruppen: 1. einer umfangreichen Korrespondenz, 2. Handakten mit Manuskriptsammlungen und 3. einer Manuskriptsammlung. Die Korrespondenz erstreckt sich über einen Zeitraum von 30 Jahren und wird begrenzt von den Jahren 1945 und 1980. Sie wurde von Karl Schultes in seiner Funktion als Oberbürgermeister und Landrat von Nordhausen in den Jahren 1945/46, als Ministerialdirektor im thüringischen Justizministerium von 1946-1950 und als Rechtsanwalt bzw. Schriftsteller in den Jahren nach 1950 in der Bundesrepublik geführt. Sie spiegelt sowohl einen Teil der privaten Kontakte von Karl Schultes als auch seine Arbeit in den verschiedensten Tätigkeitsfeldern wider, vor allem jedoch die Zeit nach dem Verlassen der DDR im Jahre 1950.Die Handakten bzw. Informationsmaterialien beziehen sich fast ausschließlich auf die Arbeit von Schultes in der Gesetzgebungsabteilung des thüringischen Justizministeriums. Hierunter fallen Tätigkeitsberichte für die Zeit von 1946-1950, Berichte und allgemeine Stellungnahmen über die Justiz- und Gesetzgebungsarbeit in Thüringen, Gutachten zur Volksrichterausbildung, handschriftliche Entwürfe und Manuskripte zu den verschiedensten Problembereichen der sowjetischen Besatzungszone, sowie auch Aktennotizen, Protokolle und Zeitschriftenaufsätze zu den entsprechenden Themen. Die Manuskriptsammlung ist Ausdruck der umfangreichen schriftstellerischen Tätigkeit von Karl Schultes. Hier sind maschinenschriftliche - veröffentlichte und unveröffentlichte - Manuskripte, Vorentwürfe und Aufzeichnungen zusammengefasst, die in der Zeit zwischen 1937 und 1981 entstanden sind. Von den Themen unterschiedlichster Art, die hier abgehandelt werden, nehmen staats-und verfassungsrechtliche Fragestellungen den größten Raum ein. Insgesamt dokumentieren die im Nachlass Schultes enthaltenen Unterlagen und Materialien nicht so sehr die Arbeit der Behörden und Institutionen, in denen Schultes tätig war, sondern geben eher Informationen über seinen individuellen Aufgabenbereich, seine Interessengebiete, seine persönliche Einstellung zu den Problemen der Justiz in der sowjetischen Besatzungszone und seine Stellung innerhalb der Justizhierarchie der SBZ. 4. Aufgrund der Arbeiten im SBZ-Projekt des Instituts für Zeitgeschichte in München wurde kurz nach der Übergabe des Nachlasses von einer Mitarbeiterin des Instituts eine provisorische Vorordnung vorgenommen. Diese Vorgliederung orientierte sich vor allem an den Erfordernissen der momentanen wissenschaftlichen Forschung und setzte die Schwerpunkte auf Schultes Tätigkeit im thüringischen Justizministerium und seine Mitgliedschaft beim Verfassungsunterausschuss des Deutschen Volksrates.Nach einer vollständigen Sichtung des Nachlasses konnte diese Vorordnung im wesentlichen beibehalten v/erden. Es bot sich eine Gliederung in der vorliegenden Form an: Als Zäsur wurde das Datum der Flucht von Schultes aus der DDR gewählt (Dezember 1950). Vor diesem Datum lag Schultes Tätigkeit als Oberbürgermeister und Landrat von Nordhausen, seine Tätigkeit im thüringischen Justizministerium als Abteilungsleiter und stellvertretender Minister und sein vorübergehender Lehrauftrag an der Universität von Jena. In diesen Funktionen läßt sich gleichzeitig ein Verhältnis zum Landesvorstand der SED in Thüringen und seine Mitgliedschaft im Verfassungsunterausschuss des Deutschen Volksrates dokumentieren. Das Leben in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Verlassen der DDR war dagegen von ganz anderen Inhalten und Aufgaben geprägt. Zwar spielte die politische Vergangenheit von Schultes auch jetzt noch eine große Rolle, aber dennoch war die berufliche und private Situation gänzlich anderen Bedingungen unterworfen. Vorherrschend war nun der Wunsch Schultes nach beruflicher Etablierung. Der Aufenthalt in England (1951-1954) diente ebenfalls diesem Ziel. Eine Vielzahl von Kontakten, die zum Teil bereits in der Thüringer Zeit geknüpft worden waren, wurden wieder aufgenommen (z. Z. an der Korrespondenz nach 1950 sichtbar), eine große Zahl von zur Veröffentlichung bestimmten Manuskripten wurde - teilweise unter Pseudonymen - verfasst, um eine berufliche Karriere in der Bundesrepublik vorzubereiten. Der Briefwechsel sowohl der allgemeinen Korrespondenzreihe wie der sachthematisch geordneten Unterlagen des Nachlasses vermitteln ein Bild dieser neuen Situation in der Bundesrepublik. Eine grundlegende Zweiteilung des Nachlasses für die Zeit vor und nach 1950 bot sich also vor allem aufgrund des Lebenslaufes von Karl Schultes an. (Korrespondenzen, die eine Kontinuität Über diese zeitliche Zäsur hinaus besitzen, wurden jedoch nicht aufgeteilt, um eine Zerstörung der inhaltlichen Zusammenhänge zu vermeiden). Die Manuskriptsammlung wurde als eigenständige Gruppe in den Nachlass aufgenommen. Mehrere Gründe sprachen für eine - von den übrigen Nachlass-Unterlagen - getrennte Aufnahme der Manuskripte aus der Zeit von 1937 - 1981. So lagen die Manuskripte bereits in Gruppen zusammengefasst vor. Ferner ist der größte Teil der Manuskripte undatiert, so daß eine chronologische Zuweisung in den seltensten Fällen erfolgen konnte. Außerdem war eine Vielzahl von Themen, die in den Manuskripten angeschnitten und diskutiert wurden, sowohl während der Thüringer Zeit als auch in der Zeit nach 1950 Gegenstand intensiver Auseinandersetzung und Beschäftigung. Die Kontinuität der Diskussion hätte durch eine chronologische Aufgliederung der Manuskripte Schaden genommen. Aus diesen Gründen wurden die vorhandenen Manuskripte nicht einer chronologischen Ordnung unterworfen, es erfolgte vielmehr eine Gliederung nach inhaltlichen Gesichtspunkten und Sachbereichen. Persönliche Unterlagen und Materialien Über das Wiedergutmachungsverfahren und das Aufnahmeverfahren von Schultes in die Bundesrepublik Deutschland bilden im vorliegenden Nachlass eine eigene Abteilung. Der Nachlass wurde - von den erwähnten Abgaben und Kassationen abgesehen - in der Vollständigkeit erhalten, in der er übernommen wurde. So erklärt sich das Vorhandensein weniger wichtiger Vorgänge und Korrespondenzen in den einzelnen Nachlassgruppen. Sie wurden aus Gründen der Vollständigkeit nicht aussortiert. Nur auf diese Weise ließ sich gerade für die Zeit nach 1950 ein Gesamteindruck über die Situation von Schultes in der Bundesrepublik Deutschland gewinnen. 5. Der Quellenwert der im Nachlass Schultes vorliegenden Materialien ist unterschiedlich. Von den persönlichen Unterlagen sind besonders das Wiedergutmachungs- und Aufnahmeverfahren Schultes in die Bundesrepublik Deutschland hervorzuheben. Die in dieser Gruppe zusammengefassten Materialien geben bereits einen ersten Einblick in die Art der Tätigkeit Schultes im thüringischen Justizministerium, seine Haltung zu damals aktuellen Sachproblemen - vor allem in Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten - und sein Verhältnis zum SED-Landesvorstand in Thüringen. Weniger interessant für die zeitgeschichtliche Forschung dürfte die unter dem Gliederungspunkt 2 enthaltene allgemeine Korrespondenz sein. Abgesehen von dem Briefwechsel mit Martin Draht, Hermann Brill, Ernst Lunn, Hans Oberlaender, Fabian Schlabrendorff und Bernhard Uffrecht handelt es sich hier weitgehend um die Dokumentation der Versuche Schultes, in der Bundesrepublik Deutschland beruflich Fuß zu fassen. Die umfangreiche Korrespondenz mit Verlagen und Zeitschriften bezieht sich ausschließlich auf mögliche Veröffentlichungen der zahlreichen Manuskripte von Schultes oder auf Probleme, die mit der Veröffentlichung zusammenhängen. Die Sachkorrespondenz schneidet einige inhaltliche Fragestellungen an, etwa die Notstandsgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland. Hier sind zum Teil ergänzende Unterlagen etwa in Form von Zeitungsaufsätzen und -artikeln erhalten. Den größten Quellenwert für die zeitgeschichtliche Forschung dürften die unter Punkt 3 zusammengefassten Teile des Nachlasses besitzen. Diese Materialien geben Aufschluss über die allgemeine Entwicklung der Justiz in der SBZ ab 1945, über die Arbeit und die personalpolitischen Entscheidungen der Justizbehörden, über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der SBZ und über die Diskussion von Verfassungsfragen. Hierbei sind besonders die Protokolle des Verfassungsausschusses und des Verfassungsunterausschusses des Deutschen Volksrates zu erwähnen, sowie die Informationsmaterialien zu den Beratungen im Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates. Diese wohl einmaligen Unterlagen wurden Schultes als Mitglied des Verfassungsunterausschusses zugänglich gemacht. Neben diesen allgemeinen Informationen Über die Justiz- und Verfassungsentwicklung in der SBZ gibt der Nachlass gerade in diesem Punkt Aufschluss über die individuelle Arbeit von Karl Schultes. Seine Einstellung zu verschiedenen Sachproblemen wird in einer Vielzahl von Tätigkeitsberichten, Manuskripten, Protokollen u.a. ausführlich deutlich. Hinzuweisen ist weiterhin auf die Korrespondenz zwischen Schultes und dem Landesvorstand der SED in Thüringen, die das zunehmend schlechter werdende Verhältnis zwischen Partei und dem Leiter der Gesetzgebungsabteilung dokumentiert, welches Schultes letztendlich zum Verlassen der DDR im Jahre 1950 veranlaßt hat. Der Manuskriptsammlung, die eine der größten Gruppen im Nachlass Schultes darstellt, kann ebenfalls ein erheblicher Quellenwert bescheinigt werden. Hier sind alle veröffentlichten und unveröffentlichten Manuskripte enthalten, die von 1937 bis 1981 zu den unterschiedlichsten Themenbereichen verfasst wurden. Anhand dieser Manuskripte wird u.a. Schultes grundsätzliche Einstellung zu Marxismus, Sozialismus und Demokratie deutlich. Seine Manuskripte über das deutsche Staatsrecht, die deutsche Staatslehre und über die deutsche Rechtsgeschichte dienten zum Teil als Vorlesungsunterlagen an der Universität Jena und sind für das Verständnis seiner verfassungsrechtlichen Position in der sowjetischen Besatzungszone außerordentlich nützlich. Es existiert zudem eine Vielzahl von Manuskripten über unterschiedliche Problembereiche in der sowjetischen Besatzungszone. Sie ergänzen diejenigen Unterlagen aus den Korrespondenzen und Handakten, die dort schon die Tätigkeit Schultes im thüringischen Justizministerium belegt haben.