Sammlung Tobias, Fritz
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Sammlung Tobias, Fritz
Sammlung Tobias, Fritz
Sammlung
723 Aufbewahrungseinheiten
Geschichte des Bestandsbildners
Hier: Lebenslauf von Fritz Tobias
* 3. Okt. 1912 in Charlottenburg
1928/1929 Ausbildung zum Buchhändler
1. April 1933 Verlust der Arbeitsstelle in der Sozialdemokratischen Buchhandlung
1934-1940 Vorsteher einer Rechtsanwaltskanzlei in Hannover
1940-1945 Soldat im Zweiten Weltkrieg, mehrfach verwundet
1946 Eintritt in den Öffentlichen Dienst, Mitwirkung bei Entnazifizierung
1951 Referent im Niedersächsischen Ministerium des Innern
Forschertätigkeit über die Brandstiftung am Reichstag 1933
1954 Leiter eines Polizeireferats im Ministerium
1959 Verfassungsschutz Niedersachsen
Erscheinen des Buches „Der Reichstagsbrand - Legende und Wirklichkei"
1974 Pensionierung
weitere Forschungs- und Sammeltätigkeit
1992 Ablehnung des Bundesverdienstkreuzes für besondere Verdienste um die historische Forschung
1994 Erscheinen des Buches „Der Sturz der Generäle. Hitler und die Blomberg-Fritsch-Krise 193"
(zusammen mit Karl-Heinz Janßen)
2001 Tod der Ehefrau Nina Tobias
1. Juli 2002 Austritt aus der SPD
1. Jan. 2011 verstorben im Alter von 98 Jahren
Bestandsbeschreibung
Bestandsgeschichte
Im Zuge seiner Forschungen zum Reichstagsbrand und weiterer Themen legte Fritz Tobias eine umfangreiche Sammlung von Arbeitsmaterialien an. Diese war zum Zeitpunkt seines Todes auf etwa 3000 Standordner angewachsen. Bereits 1988 nahmen Mitarbeiter des Bundesarchivs Kontakt zu Fritz Tobias auf, um einen Eindruck von Umfang und Inhalt seiner Papiere zu gewinnen sowie über einen möglichen Verbleib der Sammlung im Bundesarchiv zu verhandeln. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits das Staatsarchiv, das Stadtarchiv Hannover sowie die Friedrich-Ebert Stiftung Interesse an der Übernahme des Nachlasses bekundet. Im Jahr 1989 wurden die Verhandlungen jedoch ohne Ergebnis eingestellt.
Fritz Tobias selbst wandte sich 1994 an das Bundesarchiv mit der Anfrage, ob nach wie vor Interesse an einer Übernahme seiner Sammlung bestünde, da er aufgrund seines fortgeschrittenen Alters an die Regelung seiner Nachlassangelegenheiten denke. Diese neuerliche Kontaktaufnahme führte wiederum zu keinem Ergebnis.
2001 wandte sich der Historiker Sven Felix Kellerhoff, der mit Fritz Tobias in Kontakt stand, an das Bundesarchiv und betonte die Bedeutung der Sammlung Tobias für die historische Forschung. Das Bundesarchiv nahm daraufhin Kontakt zu Fritz Tobias auf, der ein Treffen mit Mitarbeitern des Nachlassreferats in Hannover vorschlug. Für Herrn Tobias war es ein wichtiges Anliegen, seine Papiere möglichst in Gänze abzugeben und erhalten zu wissen. Dies war allerdings nicht möglich, da die Sammlung etliche Ordner mit nicht archivwürdigen Materialien enthielt, die für die historische Forschung irrelevant sind.
Auf eine neuerliche Anfrage des Bundesarchivs 2005 teilte Fritz Tobias mit, dass er immer noch unschlüssig sei, wie er mit seiner Sammlung verfahren wolle.
Nach dem Tod von Fritz Tobias 2011 erklärte dessen Sohn, er wolle den Nachlass vorerst im Familienbesitz halten und digitalisieren. Als die Lebensgefährtin Fritz Tobias', Irene Wiehe, im Jahr 2013 starb, erklärte sich der Sohn einverstanden, die Sammlung seines Vaters an das Bundesarchiv abzugeben und gewährte vollständige Kassationsfreiheit. 2014 gelangten die Papiere schließlich in das Bundesarchiv, wo sie von 2015 bis zum Herbst 2017 geordnet und verzeichnet wurden.
Archivische Bearbeitung
Nach der Ordnung und Erschließung der Sammlung umfasst diese 723 Bände. Ursprünglich waren etwa 2000 Aktenordnern vom Bundesarchiv übernommen worden.
Im ersten Bearbeitungsschritt wurden alle Ordner zunächst gesichtet und vorläufig erfasst. Aufgrund des Interesses von Forschern und der Bedeutung der historischen Leistung des Nachlassers entschloss sich das Bundesarchiv, aus den Materialien eine Sammlung zu bilden, die hauptsächlich Unterlagen zum Reichstagsbrand und der daraus resultierenden Kontroverse überliefert.
Viele Aktenordner enthielten hauptsächlich Sammlungen von Zeitungsausschnitten, die Themen des 20. Jahrhunderts nach dem Zweiten Weltkrieg betrafen, die offenbar für den Nachlasser von Interesse waren. Beispiele hierfür sind etwa europäische Adelsgeschlechter, diverse Kriminalfälle wie die Reemtsma-Entführung, Krankheiten, Informationen zu Ländern oder berühmten Personen. Da diese Presseartikel anderweitig überliefert und nicht von Interesse für die historische Forschung sind, wurden sie für nicht archivwürdig befunden und zur Kassation freigegeben. Dadurch erklärt sich auch die hohe Kassationsquote. Aus dem Gesamtbestand von 2000 Aktenordnern wurden letztlich 723 Aktenbände gebildet. Weiterhin kopierte der Nachlasser zahlreiche Dokumente mehrfach und verteilte sie auf mehrere Ordner, so dass sich dennoch zahlreiche Dubletten finden. Nicht mehr lesbare Kopien und solche von Unterlagen, die bereits im Bundesarchiv überliefert sind, wurden kassiert.
Im nächsten Schritt wurden die Unterlagen zu Bänden formiert und mittels der Archivdatenbank BASYS 2S verzeichnet. Kurz vor seinem Tod ließ Fritz Tobias nach Aussage seines Sohnes seine Unterlagen durch Hilfskräfte umstrukturieren, wodurch einige Ordner auf andere aufgeteilt worden seien, um mehr Platz zu schaffen. Vermutlich ist dies der Grund, aus dem oftmals Beschriftung und Inhaltsverzeichnisse einiger Ordner vom eigentlichen Inhalt abwichen und so nicht in die Verzeichnung übernommen werden konnten. Befanden sich in einzelnen Ordnern, die hauptsächlich Presseartikel neueren Datums enthielten, Briefe oder Vermerke, so wurden sie entnommen und später unter dem Klassifikationspunkt „Gesammelter Schriftwechse" verzeichnet.
Die Sammlung enthielt außerdem zeitgenössische Broschüren, Flugblätter und Tarnschriften, bei denen es sich um Originaldokumente aus der NS-Zeit handelt. Diese wurden in die bereits vorhandenen Bestände der Zeitgeschichtlichen Sammlung integriert.
Zwischen den schriftlichen Dokumenten befanden sich außerdem zahlreiche Audio-Kassetten mit Interviews, die Fritz Tobias mit einigen Zeitzeugen und anderen Personen geführt hatte. Diese wurden an das für Töne zuständige Referat in der Abteilung Filmarchiv zur weiteren Digitalisierung und Erschließung abgegeben. Weiterhin fanden sich etliche Rollen Mikrofilm, deren Ablichtungen mit Bearbeitungsspuren des Nachlassers sich bereits in der schriftlichen Überlieferung befinden und daher kassiert wurden .
Drucksachen und Bücher, die nicht von Relevanz für die eigentliche Sammlung waren, wurden der Bibliothek des Bundesarchivs angeboten und von dieser übernommen.
Inhaltliche Charakterisierung
Die Überlieferung der Sammlung erstreckt sich auf die gesamte Lebenszeit von Fritz Tobias. Als Urheber der „Einzeltäterthes", die besagt, dass der Reichstagsbrand allein das Werk des Niederländers Marinus van der Lubbe sei, wurde er Anfang der 60er Jahre einem breiten Fachpublikum bekannt. Seine Reportage im „SPIEGE" markierte den Ausgangspunkt einer Kontroverse, die noch bis heute andauert. Zeitlebens wich Fritz Tobias nicht von seiner These ab und verteidigte sie teils vehement. Schwerpunktmäßig sind daher Unterlagen zum Reichstagsbrand überliefert, die vorwiegend aus geschlossenen Materialsammlungen bestehen. Diese setzen sich größtenteils aus Korrespondenz, Vermerken über persönliche Gespräche und Telefonate, handschriftliche Notizen sowie Ausschnitte aus Zeitungen und Kopien aus der Fachliteratur zusammen.
Die Sammlung ist während der gesamten Lebenszeit von Fritz Tobias gewachsen. Einzelne Ordner wurden immer wieder von ihm um weitere Arbeitsmaterialien, Vermerke oder Briefe ergänzt, wodurch sich die stellenweise sehr langen Laufzeiten erklären.
Im Zuge etlicher Auseinandersetzungen mit Gegnern seiner These sind des Weiteren Gerichtsakten und Anwaltskorrespondenzen überliefert. Fritz Tobias legte viele Ordner mit Sammlungen von Informationsmaterialien zu den Biografien von Edouard Calic und Hans Bernd Gisevius an, die beide die These von der Täterschaft der Nationalsozialisten vertraten. Es finden sich in der Sammlung auch Briefwechsel mit bekannten Historikern und Journalisten.
Ebenso enthalten sind Papiere aus den Nachlässen anderer Personen, etwa von Ernst Torgler, der mit Fritz Tobias eng befreundet war; oder dem Journalisten Hans-Jürgen Wiehe, mit dessen Witwe Fritz Tobias in den letzten Jahren seines Lebens zusammen lebte.
Von besonders großem Wert für die historische Forschung sind Korrespondenz und Vermerke über Gespräche, die Fritz Tobias mit Zeitzeugen geführt hat. Zu nennen wären hier etwa Rudolf Dielhs, Werner Best oder Charlotte von Brauchitsch. Daneben findet sich eine Vielzahl an Ausarbeitungen zu verschiedenen Themen, denen häufig Informationsmaterialien wie Presseartikel und handschriftliche Notizen beiliegen.
Einen großen Teil der Überlieferung macht die umfangreiche Korrespondenz aus, zum Beispiel mit Historikern sowie mit Freunden und Weggefährten.
Weiterführende Bestände in anderen Archiven
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich/Archiv für Zeitgeschichte:
NL Hans Bernd Gisevius
Zitierweise
BArch ZSG 163/...