Militärattachés / Attachégruppen im Generalstab des Heeres
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Militärattachés / Attachégruppen im Generalstab des Heeres
Militärattachés / Attachégruppen im Generalstab des Heeres
Schriftgut
103 Aufbewahrungseinheiten
4,8 laufende Meter
Geschichte des Bestandsbildners
Um der politischen und militärischen Führung eines Staates gesicherte Informationen über Stand und Entwicklung des Heerwesens der Nachbarstaaten und des sonstigen Auslands zu geben, hatte sich im 19. Jahrhundert die Institution der Militärattachés herausgebildet, die als militärisches Fachpersonal derartige Informationen beschafften und bewerteten. Dabei handelte es sich um Offiziere, die vom Generalstab den diplomatischen Missionen im Ausland zugeordnet wurden mit dem Auftrag einer kontinuierlichen und sachverständigen Berichterstattung über die militärischen Verhältnisse des Aufnahmelandes.
Der deutsche militärische Attachédienst fand mit der militärischen Niederlage 1918 und der Revolution in Deutschland zunächst ein Ende. In der Kabinettssitzung vom 6. Februar 1920 wurde die Abberufung aller noch vorhandenen Militär- und Marineattachés zum 1. April des Jahres beschlossen. Bei dieser Entscheidung gaben sowohl außen- als auch innenpolitische Erwägungen den Ausschlag. Es stand zu befürchten, dass eine Beibehaltung bzw. Neuentsendung von Militär- und Marineattachés sowohl von den Alliierten, zu denen das Verhältnis ohnehin äußerst gespannt war, als auch von der eigenen Bevölkerung, bei der das Militär im Ansehen stark gesunken war, als Ausdruck des Wiederauflebens des deutschen Militarismus gewertet worden wäre. Alle daraus zu befürchtenden Komplikationen wollte man tunlichst vermeiden. Hinzu kam, dass das Auswärtige Amt aufgrund der Erfahrungen der Vorkriegszeit, in der einige Attachés dazu übergingen, eigene diplomatische Aktivitäten neben dem eigentlichen Botschafter oder Gesandten zu entwickeln, und auch aus Kostengründen der Entsendung von Attachés generell kritisch gegenüberstand.
Die Reichswehr gab ihren Wunsch nach Informationsgewinnung im Ausland jedoch nicht auf. Insbesondere auf die Beobachtung der Deutschland im Versailler Vertrag verbotenen Waffen (schwere Waffen, Panzer, Flugzeuge) war sie dringend angewiesen, um nicht Gefahr zu laufen, völlig den Anschluss an die rüstungstechnische Entwicklung zu verlieren. Da die in dem o. a. Kabinettsbeschluss als Ersatz für die Militärattachés in Aussicht gestellten zivilen"fliegenden Legationsrät", die"nötigenfalls mit früheren Offizieren besetzt werde" sollten, aufgrund grundsätzlicher Bedenken gegen eine derartig getarnte Attachétätigkeit nicht zum Einsatz kamen, wurden die Attachéaufgaben in der Folgezeit meist mehr schlecht als recht von den diplomatischen Missionen, teils unter Einsatz so genannter"verkappter Militärattaché", also militärischen Vertretern, die als solche nicht bei der jeweiligen Regierung notifiziert wurden, wahrgenommen.
Erst als sich 1927 mit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund und dem Rückzug der Internationalen Militärkontrollkommission die gesamtpolitische Lage für Deutschland etwas verbessert hatte, wurde das Thema wieder aufgegriffen. Der Reichswehrminister Wilhelm Groener scheute jedoch die Entsendung von Militärattachés, um innenpolitische Probleme zu vermeiden. Mit der Kommandierung von Offizieren zu den diplomatischen Vertretungen versuchte er, einen"neuen Typ des Militärattaché" zu schaffen. Der Versuch erwies sich jedoch als unpraktikabel, vor allem, weil die Offizieren nicht offiziell als militärische Vertreter im jeweiligen Gastland angemeldet werden konnten und ihnen daher der Zugang zu wichtigen Informationsquellen verwehrt blieb.
Als 1932 im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Abrüstungskonvention des Völkerbundes die Frage der militärischen Gleichberechtigung Deutschlands gestellt wurde (in der"Fünf-Mächte-Erklärun" vom 11. Dezember wurde sie schließlich anerkannt), schien dem damaligen Reichswehrminister Kurt von Schleicher der Zeitpunkt gekommen, wieder Militärattachés in die deutschen diplomatischen Vertretungen zu entsenden. Die von Schleicher, einem Befürworter des klassischen Typs von Militärattachés, veranlassten Verhandlungen mit dem Auswärtigen Amt verliefen ohne Probleme. Am 10. Januar 1933 wurde die Öffentlichkeit informiert, dass den deutschen diplomatischen Missionen im Ausland ab dem 1. April wieder Militär- und Marineattachés beigegeben werden.
Nachdem 1933 zunächst 15 Militär- und Marineattachés mit einer Zuständigkeit für 21 Länder entsandt worden waren, erhöhte sich die Zahl der Militär-, Marine- und Luftattachés bis 1939 auf 43 Offiziere mit einer Zuständigkeit für 39 Staaten. (Tabellarische Übersichten über die entsandten Attachés von 1933 bis 1945 finden sich bei Kehrig, Manfred: Die Wiedereinrichtung des deutschen militärischen Attachédienstes nach dem Ersten Weltkrieg (1919-1933). Boppard am Rhein 1966, Anlagen 12 und 15). Die drei Wehrmachtteile entsandten, wie schon in der Kaiserzeit und auch in anderen Staaten üblich, jeweils ihre eigenen Attachés: das Heer Militärattachés, die Kriegsmarine Marineattachés und die Luftwaffe ab 1935 Luftattachés. Später gab es auch noch Polizeiattachés für die SS und Polizei.
In ihrem Gastland standen die Attachés der drei Teilstreitkräfte gleichberechtigt nebeneinander und fanden lediglich im Missionschef eine gemeinsame diplomatische Spitze. Waren in einer Hauptstadt nicht alle Wehrmachtteile vertreten, hatten die anwesenden Attachés auch an die nicht vertretenen Generalstäbe zu berichten. Der Versuch des Oberkommandos der Wehrmacht im Jahr 1938, den jeweils dienstältesten Attaché an einem Ort zum Wehrmachtattaché zu ernennen (die übrigen Attachés sollten zur Unterscheidung als Waffenattachés bezeichnet werden) und für sich tätig werden zu lassen, scheiterte an der mangelnden Unterstützung des Vorhabens durch die einzelnen Wehrmachtteile.
In einer Dienstanweisung waren 1933 die Aufgaben der Militärattachés festgelegt worden. Sie hatten"sich ein klares Bild und Urteil über die Wehrmacht des Empfangsstaates zu verschaffen. Zu diesem Zweck haben sie einen zutrauenerweckenden Verkehr mit den zuständigen Behörden sowie kameradschaftlichen und geselligen Verkehr mit den in Betracht kommenden Personen zu pflegen, rege an Truppenübungen teilzunehmen, militärische Einrichtungen zu besuchen sowie die Fachliteratur und die Presse zu verfolgen. Über ihre Beobachtungen haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu berichten" (zit. nach: Kehrig, Anlage 10a).
Bei ihrer Tätigkeit blieben die Militärattachés zwar aktive Offiziere, gleichzeitig wurden sie aber in das diplomatische Personal eingegliedert und unabhängig von ihrem militärischen Rang dem jeweiligen Missionschef oder dessen Stellvertreter unterstellt. Sämtliche Berichte waren dem Missionschef vorzulegen, gleichzeitig hatten sie ihn in militärischen Fragen zu beraten. Einigen Militärattachés wurden zur Erledigung ihrer Aufgaben rangniedrigere Offiziere als Gehilfen (vereinzelt wurden sie auch als Bürooffiziere bezeichnet) zur Seite gestellt.
Von Seiten des Heeres erfolgte die Betreuung der Militärattachés zunächst durch die Abteilung Fremde Heere/T3 des Generalstabs, die auch die in Berlin notifizierten Militärattachés anderer Staaten zu betreuen hatte. Nach einer kurzen Unterstellung des gesamten Attachéwesens (Militär- und Marineattachés) unter das Ministeramt des Reichswehrministeriums 1933/34 war ab dem Frühjahr 1934 im Truppenamt bzw. ab 1935 im Generalstab des Heeres eine Attachégruppe, die der Abteilung Fremde Heere unterstellt war, mit den Angelegenheiten der Militärattachés betraut. 1937 wurde die Attachégruppe im neu eingerichteten Amt des Oberquartiermeisters IV im Generalstab des Heeres als Gruppe selbstständig, am 8. April 1940 wurde sie dort zur selbstständigen Abteilung erhoben. Als das Amt des Oberquartiermeisters IV am 10. November 1942 aufgelöst wurden, wurde die Attachéabteilung unmittelbar dem Chef des Generalstabs unterstellt. In Folge der Ereignisse des 20. Juli 1944 wurde die Abteilung schließlich der Amtsgruppe Ausland im Oberkommando der Wehrmacht unterstellt, wo sie bis zu deutschen Kapitulation im Mai 1945 verblieb.
Bestandsbeschreibung
Der Bestand besteht zu fast gleich großen Teilen aus Akten der Militärattachés London und Rom. Das Schriftgut des Militärattachés London entstammt fast vollständig der Vorkriegszeit und dokumentiert vor allem die Aktivitäten auf dem Gebiet der Pflege der deutsch-britischen Militärbeziehungen und die vielfältigen Kontakte zu englischen militärischen Dienststellen, Vereinigungen und Privatpersonen. Die Unterlagen des Militärattachés Rom setzen sich vor allem aus Dokumenten zur Berichtstätigkeit und zum Nachrichtenaustausch mit der Attachégruppe bzw. -abteilung im Generalstab des Heeres und reichen bis in die ersten Kriegsjahre hinein.
Darüber hinaus sind einige wenige Akten der Militärattachés Athen und Moskau sowie des Militär- und Luftattachés Washington, D. C., vorhanden.
Erschliessungszustand
Online-Findbuch
Zitierweise
BArch RH 67/...