Kriminalbiologische Forschungs- und Sammelstellen

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Kriminalbiologische Forschungs- und Sammelstellen 
Kriminalbiologische Forschungs- und Sammelstellen 
Vorwort A Rep. 380 Kriminalbiologische Forschungs- und Sammelstellen

1. Behördengeschichte

Die Kriminalbiologie hat ihren Ursprung im späten 19. Jahrhundert, ausgehend von der Vorstellung, dass bestimmte Formen der Kriminalität nicht nur soziale, milieubedingte Ursachen haben, sondern dass eine vererbliche Komponente als Ursache der Kriminalität anzusehen sei. Diese Vorstellung wurde während des Nationalsozialismus radikalisiert und mit rassenhygienischem Gedankengut durchsetzt.
Mit der Allgemeinen Verordnung vom 29. Juli 1930 wurden bei den preußischen Gefangenenanstalten so genannte Kriminalbiologische Forschungsstellen eingerichtet. In Berlin richtete man diese Stelle beim Untersuchungsgefängnis Moabit ein und ebenso eine Zentralstelle für die Sammlung der Forschungsergebnisse aller preußischen Gefangenenanstalten. In der Verordnung wurde ebenfalls definiert, wer kriminalbiologisch zu untersuchen war: nämlich Personen, die Delikte aus dem Bereich der Schwer- und sogenannten Gewohnheitskriminalität begangen hatten.
1937 wurden die bis dahin in den deutschen Ländern uneinheitlich durchgeführten kriminalbiologischen Untersuchungen eingestellt und ein reichseinheitlicher Kriminalbiologischer Dienst geschaffen. Im Deutschen Reich wurden neun kriminalbiologische Sammelstellen, denen in bestimmten Gefängnissen kriminalbiologische Untersuchungsstellen zugeordnet waren, eingerichtet. Für den Kammergerichtsbezirk Berlin befanden sich diese Untersuchungsstellen bei den Strafgefängnissen Plötzensee und Tegel und im Zellengefängnis Lehrter Straße. Letzteres war zugleich als Kriminalbiologische Sammelstelle für den Oberlandesgerichtsbezirk Stettin, die Landgerichtsbezirke Schneidemühl und Meseritz zuständig.
An den Untersuchungen der Häftlinge wurden unter der Leitung des Anstaltsarztes weitere Beamte des Gefängnisses beteiligt. Nach Abschluss der Erhebungen, wozu man auch Akten anderer Behörden heranzog und Auskünfte der Verwandtschaft des Probanden eingeholt wurden, leiteten die Untersuchungsstellen ihre Ergebnisse der zuständigen Sammelstelle zu. Die Sammelstellen hatten die Aufgabe, das eingehende Material wissenschaftlich auszuwerten und Karteien über sämtliche kriminalbiologisch Untersuchte zu führen. Ferner dienten sie als Auskunftsstelle für die Gesundheitsämter zu Erb- und rassebiologischen Zwecken.

2. Bestandsgeschichte

Ein Großteil der Überlieferung wurde 1943 durch Kriegseinwirkung vernichtet. Akten der Zentralstelle für Kriminalbiologische Untersuchungen und der Kriminalbiologischen Sammelstellen bei den Gefängnissen Plötzensee und Lehrter Straße gelangten im Mai 1982 in das Landesarchiv Berlin. Sie wurden von der Senatsverwaltung für Justiz abgegeben und vorerst dem Bestand Rep. 5 mit der Zugangsnummer Acc. 2863 zugeordnet. Es handelt sich dabei um 348 Akteneinheiten, hauptsächlich so genannte Entmannungsakten. Bereits in den Jahren 1956/57 hatte Dr. A. Ohm diese Akten für eine Studie über den Umgang mit Sittlichkeitsverbrechern und die Auswirkung der Kastration ausgewertet. Die rudimentäre Fallakten-Erschließung aus dem Landesarchiv retrokonvertierte die Fa. Kommtreff im Jahr 2006.
Daneben gelangten über die Untersuchungshaft- und Aufnahmeanstalt Moabit Ende der 1980er Jahre 438 Akten der Zentralstelle für Kriminalbiologische Untersuchungen beim Untersuchungsgefängnis, die bei Aufräumarbeiten im Haftkrankenhaus Moabit entdeckt worden waren, in das Landesarchiv Berlin. Die vormals unter der Repositur Rep. 66 Acc. 4708 im Jahr 1996 verzeichneten Untersuchungsgutachten wurden 2002 mit den oben genannten Akten (ehemalige Rep. 5 Acc. 2863) zum neu gebildeten Bestand A Rep. 380 Kriminalbiologische Forschungs- und Sammelstellen vereinigt. Der Bestand enthält 786 AE und umfasst 118,95 lfm. Die Laufzeit reicht von 1929 - 1944 (1956/57).

Einige der Akten sind auf Grund archivgesetzlicher Bestimmungen (ArchGB) bzw. der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) für die Benutzung gesperrt. Eine Verkürzung der Schutzfristen kann auf Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs.

Der Bestand wird wie folgt zitiert: Landesarchiv Berlin, A Rep. 380, Nr…..

3. Korrespondierende Bestände

LAB A Rep. 356 Erbgesundheitsgericht Berlin
LAB A Rep. 358-02 Generalstaatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin
LAB A Rep. 369 Strafgefängnis Plötzensee
LAB A Rep. 370 Strafgefängnis Tegel
GStA I.HA. Rep. 84a Preußisches Justizministerium
BLHA Rep. 4 A Kammergericht Berlin
HStAHH Rep. 242-4 Kriminalbiologische Sammelstelle beim Untersuchungsgefängnis Hamburg-Stadt
HStANRW Ger. Rep. 300 Sammel- und Untersuchungsstellen der OLG-Bezirke Köln und Düsseldorf

4. Literatur- und Quellenverzeichnis

Simon, Jürgen: Kriminalbiologie - theoretische Konzepte und praktische Durchführung eines Ansatzes zur Erfassung von Kriminalität. In: Juristische Zeitgeschichte Nordrhein-Westfalen, Bd. 6 Kriminalbiologie, o. O. 1997.

Ohm, August: Zur Frage der Entmannung. Eine Auswertung der Berliner"Akten betr. Entmannun", Teil 1 und 2, in: Zeitschrift für Psychosomatische Medizin, hrsg. von A. Dührssen u.a., 7. Jg., 1. Vierteljahresheft, Göttingen 1960, S. 21 - 34, 106 - 119.

Ohm, Dr. phil. August, Haltungsstile Lebenslänglicher. Kriminologische Untersuchungen im Zuchthaus, De Gryter, Berlin 1959

Ohm, August, Die Entwicklung der sozialen Person während der Untersuchungshaft, Leipzig,1938 (Dissertation).

Langelüddeke, Dr. med. Albrecht, Resozialisierung durch Entmannung. Ms Krim Bi 9/12:148–153, 1943..

Langelüddeke, Dr. med. Albrecht, Die Entmannung von Sittlichkeitsverbrechern, De Gruyter, Berlin 1963.

Wiethold F (1935) Zur Frage der Entmannung gemeingefährlicher Sittlichkeitsverbrecher. Dt Zs Ger Med 24:135–149.

Bonk F (1940) Zur Indikation der Entmannung von Sittlichkeitsverbrechern auf Grund von 180 Beobachtungen. Deutsch Z Ger Med 32:339.

Berlin, im Juli 2018/Februar 2021 Bianca Welzing-Bräutigam
 

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