"Vorwort\n\n3. Bezirksverwaltungen und ihre territorialen Vorgängerbehörden

Berlin und Cölln besaßen seit dem Mittelalter Feldmarken außerhalb der Stadtmauern, in denen sich kleine Ansiedlungen mit Meiereien, Schäfereien und Märkten entwickelten. Im 16. Jahrhundert bildeten sich vor den Stadttoren sogenannte\"Vorstädt\" - die Spandauer, Stralauer und Georgenvorstadt auf der Berliner und die Köpenicker und Teltower (bzw. Leipziger) Vorstadt auf der Cöllner Seite. In den umliegenden Dörfern wie Stralau, Rosenfelde (später: Friedrichsfelde), Lichtenberg, Pankow und Reinickendorf, Tempelhof, Marienfelde, Mariendorf und Rixdorf verfügte die Doppelstadt über erheblichen Grundbesitz. Im 17. und 18. Jahrhundert nahm, nach einem Rückschlag durch den Dreißigjährigen Krieg, der Bevölkerungszustrom weiter zu, was schließlich zur Gründung der kurfürstlichen Städte Friedrichswerder (1662), Dorotheenstadt (1674) und Friedrichstadt (1692) führte, die 1709 mit Berlin und Cölln zusammengeschlossen wurden (vgl. Abschnitt 2.1.).

Neben den östlich der Berliner Altstadt außerhalb der Akzisemauer bereits bestehenden großen Ansiedlungen, der Königsstadt (ab 1701 aus der alten Georgenvorstadt entstanden) und der Stralauer Vorstadt, entstanden im Norden im Laufe des 18. Jahrhunderts die Spandauer Vorstadt, deren äußeren Teil die Rosenthaler Vorstadt mit der Kolonie Neu-Vogtland bildete, und die Friedrich-Wilhelm-Stadt. 1829 wurden die Weinbergstücke, Teilgebiete der späteren Bezirke Prenzlauer Berg und Friedrichshain sowie die sogenannte\"Neue Wel\" und das Erbpachtvorwerk Niederschönhausen dem Stadtgebiet zugeschlagen. Wenig später kamen Wiesen vor dem Frankfurter Tor hinzu. Die Grenzen des Stadtgebiets im Westen wurde durch den Schönhauser Graben, auf dem linken Spreeufer durch den Landwehrgraben gebildet. 1842 begann der Ausbau der Luisenstadt im Südosten. Zum 1. Januar 1861 wurden Wedding, Gesundbrunnen, Moabit, die Tempelhofer und die Schöneberger Vorstadt eingemeindet, so dass sich das Territorium der Stadt auf fast 6000 Hektar erweiterte und damit gegenüber 1841 fast verdoppelt hatte. Zwischen 1878 und 1915 kamen noch Teile der Lichtenberger Feldmark (Ortsteil Friedrichsberg), der Rest des Gutsbezirks Tiergarten (mit Ausnahme des Schlosses Bellevue) und die Jungfernheide hinzu.

Nach der Städteordnung von 1808 waren die äußeren Teile der alten Berliner Feldmark zugunsten der umliegenden Landkreise Teltow und Niederbarnim vom Weichbild der Stadt gelöst worden. Die Gemeinden wurden innerhalb der durch die\"Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörde\" vom 30. April 1815 einheitlich neu geschaffenen Landkreise verwaltet. 1872 führte die Kreisordnung für die sechs östlichen Provinzen zu einer Reform des Kreisverwaltungssystems, die 1874 in Kraft trat und u. a. vorsah, dass größere Städte aus dem Kreisverband ausschieden und eigene Stadtkreise bilden konnten. Auf dem Lande wurde die patrimonialherrliche Polizeigewalt durch den Amtsvorsteher als staatliche Ortspolizeibehörde abgelöst. Vor allem zur Ausgabenkontrolle und zur Mitwirkung bei Polizeiverordnungen bestand daneben jeweils ein Amtausschuss, der aus Vertretern der Gemeinden und Gutsbezirke des Amtsbezirkes zusammengesetzt war. Die Dienstaufsicht führte der zuständige Landrat.

Von den kleinen Stadtsiedlungen im Berliner Umland entwickelten sich bis 1871 Spandau und Charlottenburg zu Mittelstädten mit etwa 20.000 Einwohnern, während Köpenick mit etwa 5.300 Einwohnern bereits hinter größere Landgemeinden zurückfiel, die ihrerseits Stadtrecht erhielten (Schöneberg 1897, Rixdorf/Neukölln 1899, Wilmersdorf 1906, Lichtenberg 1907).

Die industrielle Entwicklung insbesondere nach 1871 und das Anwachsen des Siedlungsraumes innerhalb und außerhalb des Berliner Stadtgebietes führte zunehmend zu kostspieligen Überschneidungen in der Infrastruktur, zumal die Nachbargemeinden auf Eigenständigkeit beharrten. Gebietsreformen und weitere Eingemeindungsversuche scheiterten zudem immer wieder am Widerstand der Landräte und der Staatsregierung. Nach dem Gesetz vom 19. Juli 1911 wurde zum 1. April 1912 ein\"Zweckverband Groß-Berli\" gebildet, der einen lockeren Zusammenschluss der Städte Berlin, Spandau, Köpenick, Charlottenburg, Schöneberg, Rixdorf/Neukölln, Wilmersdorf und Lichtenberg sowie der Landkreise Niederbarnim und Teltow bildete. Seine Zuständigkeit beschränkte sich im Wesentlichen auf die Verkehrs- und Siedlungsplanung, die Bebauung und Erhaltung von Grünflächen, sowie die Forstverwaltung. Der Verband erwarb u. a. Teile des Grunewalds und kaufte die Große Berliner Straßenbahn.

Am 1. Oktober 1920 trat das\"Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berli\" vom 27. April 1920 in Kraft. Damit wurden die bereits im Zweckverband vereinigt gewesenen Städte sowie 59 Landgemeinden1 und 27 Gutsbezirke2 aus den Kreisen Niederbarnim, Osthavelland und Teltow zur neuen Stadtgemeinde\"Berli\" - dem größten geschlossenen Siedlungsgebiet in Mitteleuropa - zusammengefügt. Die neue Kommune bildete einen eigenen Verwaltungsbezirk und galt als Erweiterung der bisherigen Stadtgemeinde Berlin. Daher bildete der Berliner Magistrat auch die zentrale Verwaltungsebene. Das Stadtgebiet wurde in zwanzig Verwaltungsbezirke unterteilt, die nicht als eigene Rechtskörperschaften galten.3 Für jeden Bezirk wurde eine Bezirksversammlung und ein kollegial arbeitendes Bezirksamt eingerichtet. In den Bezirksversammlungen arbeiteten die jeweils in den Bezirken ansässigen Stadtverordneten mit anderen gewählten Bürgern (Bezirksverordneten) zusammen. Die sieben besoldeten und unbesoldeten Bezirksamtsmitglieder (Bürgermeister und Stadträte) wurden durch die Bezirksversammlungen auf zwölf bzw. vier Jahre gewählt. Außerdem konnten für einzelne Verwaltungszweige oder für vorübergehende Aufgaben Bezirksdeputationen nach dem Vorbild der Magistratsdeputationen gebildet werden. Der Oberbürgermeister konnte die Durchführung von Beschlüssen der Bezirksversammlungen verhindern, soweit dem ein allgemeineres gesamtkommunales Interesse entgegenstand. Streitfälle sollten durch Schiedsstellen entschieden werden. Mit Zustimmung des Oberbürgermeisters konnten in den Verwaltungsbezirken Ortsbezirke (Ortsamtsstellen) gebildet werden.

Das Berliner Stadtarchiv etablierte sich nach 1920 als Zentralarchiv für die Einheitsgemeinde Berlin. Den in den 20er Jahren zunehmenden Aktenübernahmen aus den Verwaltungsbezirken stand jedoch die chronische Raumnot des Archivs entgegen.

Die bis 1943/44 übernommenen Bestände wurden überwiegend auf die Schlösser Friedland und Petermanke verlagert und kehrten in den Jahren 1952 und 1962 zum größten Teil von dort zurück. Bedeutende Teile der Registraturen verblieben aber auch während des Krieges in den Rathäusern und waren dort den Bombenangriffen ausgeliefert. Insbesondere die Überlieferung der innerstädtischen Bezirke geriet auf diese Weise zu großen Teilen in Verlust (z. B. Friedrichshain). Nach 1945 wurden die noch erhaltenen älteren Registraturen überwiegend in Gemeinschaft mit jüngerem Schriftgut an das Landesarchiv oder das Stadtarchiv Berlin abgegeben. Der Prozess der Bestandsabgrenzung und Erschließung ist hier oftmals noch nicht beendet, so beispielsweise für die Bezirke Steglitz und Zehlendorf.

Ein Teil der historisch bedeutsamen Überlieferung wird auch durch die Heimatmuseen und heimatgeschichtlichen Sammlungen der Bezirke verwahrt.

Verweise:

LAB A Rep. 000-02-01 Stadtverordnetenversammlung von Berlin
LAB A Rep. 001-02 Magistrat der Stadt Berlin, Generalbüro
LAB A Rep. 005-02 Magistrat der Stadt Berlin, Städtische Grundeigentumsdeputation
LAB A Rep. 006 Magistrat der Stadt Berlin, Kanal und Güterdeputation
LAB B Rep. 142 Kommunale Spitzenverbände
BLHA Pr.Br.Rep. 2 A Regierung Potsdam
BLHA Pr.Br.Rep. 6 B Kreisverwaltungen Niederbarnim, Osthavelland, Teltow
BLHA Pr.Br.Rep. 37 Adlige Herrschaften und Güter (u. a. Friedrichsfelde, Tempelhof, Ahrensfelde, Blankenburg, Buch, Heinersdorf, Lichterfelde, Rosenthal, Wilmersdorf)
BLHA Pr.Br.Rep. 41 Amtsbezirke (u. a. Zehlendorf)

Literatur:

Berliner Archive, hrsg. vom Landesarchiv Berlin 4. Aufl., Berlin 1992 [5. Aufl. derzeit in Neubearbeitung].

Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil 3: Havelland, bearb. von Lieselott Enders, Weimar 1972 (= Veröff. des Staatsarchivs Potsdam, 1).

Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil 4: Teltow, bearb. von Lieselott Enders u. Margot Beck, Weimar 1976 (= Veröff. des Staatsarchivs Potsdam, 13).

Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil 6: Barnim, bearb. von Lieselott Enders u. Margot Beck, Weimar 1980 (= Veröff. des Staatsarchivs Potsdam, 16).

Schmidt, Sigurd-Herbert: Groß-Berlin entsteht, in: Vor 75 Jahren Groß-Berlin entsteht, Berlin 1995, S. 9-84 (= Ausstellungskataloge des Landesarchivs Berlin 14).

Schwenk, Herbert: Berliner Stadtentwicklung von A-Z, 2. Aufl., Berlin 1998.

Viergutz, Volker: Groß-Berlin in den zwanziger Jahren, in: Vor 75 Jahren Groß-Berlin entsteht, Berlin 1995, S. 85-151 (= Ausstellungskataloge des Landesarchivs Berlin 14).
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