Reichsstelle für Textilwirtschaft
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Reichsstelle für Textilwirtschaft
Reichsstelle für Textilwirtschaft
(1915-) 1933-1945 (-1970)
Schriftgut
679 Aufbewahrungseinheiten
Geschichte des Bestandsbildners
Die Reichsstelle für Textilwirtschaft wurde 1942 durch die Zusammenlegung einer Reihe verschiedener Vorgänger-Reichsstellen im Textilsektor gegründet. Als nachgeordnete Dienststelle des Reichswirtschaftsministeriums war es ihre Aufgabe, Planung und Produktion in der Textilwirtschaft zu kontrollieren und zu lenken.
Bestandsgeschichte
Die Akten aller Reichsstellen waren bis Mitte 1941 wohl noch vollständig vorhanden. Erst der Erlass des Reichswirtschaftsministers vom 31. Mai 1941 ließ bei den Reichsstellen eine komplette Aktenvernichtung nach fünf Jahren zu. Davon wurde offensichtlich alsbald und fortlaufend in weitestem Umfang Gebrauch gemacht, da sich Vorgänge aus den Anfangsjahren kaum erhalten haben. Durch die Zusammenlegung der textilwirtschaftlichen Reichsstellen wurden mancherlei Akten entbehrlich, sodass deren Bestand abermals gelichtet wurde.
Bereits Mitte 1943 wurden aus Luftschutzgründen mehrere große Abteilungen der Reichsstelle mit ihren Akten von Berlin nach Guben und Forst, vorübergehend auch nach Neu-Globsow und Werdau verlagert. Spätestens Ende 1944/Anfang 1945 wurden diese an den unverändert gebliebenen Sitz der Reichsstelle in Berlin (Adresse: Wallstr. 23/24) zurückgezogen. Anfang 1945 gelangte schließlich der größte Teil dieser Reichsstelle nach Mühlhausen/Thüringen und Umgebung.
Aktenverluste durch den Luftkrieg sind wahrscheinlich wegen der rechtzeitigen und wirksamen Verlagerung aus Berlin gering. Lediglich die Akten der bis Kriegsende in Bremen als Außenstelle weitergeführten, früher als Reichsstelle selbstständigen Hauptabteilung Baumwolle wurden bei Luftangriffen auf Bremen größtenteils vernichtet, erhalten gebliebene Reste nach Kriegsende als angeblich wertlos weggeworfen.
Die in Mühlhausen und Umgebung befindlichen Akten der Reichsstelle fielen Ende März unversehrt den amerikanischen Truppen zu. Das Schriftgut wurde im Mai in das als Sammelstelle für erbeutete deutsche Akten in Fürstenhagen bei Kassel eingerichtete Ministerial Collecting Center (MCC) verbracht. Nach ersten Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten, die jedoch in den Anfängen stecken blieben, wurden diese Materialien unterschiedlichster Provenienzen aus dem Textilbereich im Februar 1946 nach Berlin-Tempelhof transportiert. Bei der dort von den Amerikanern vorgenommenen Sichtung wurden alle Akten, die ihnen personell, politisch und wirtschaftlich aufschlussreich erschienen, herausgezogen und an andere amerikanische Stellen weitergegeben; über ihren Verbleib ist zum Teil nichts bekannt.
Die Masse der Akten, die nach gründlicher Aussiebung durch die Amerikaner 1946-1947 in Berlin-Tempelhof verblieb, wurde im März 1947 an das neu entstandene deutsche Zentralamt für Wirtschaft in Minden geschickt. Von Minden gelangten sämtliche Akten im Herbst 1947 an die Zweizonen-Wirtschaftsverwaltung in Frankfurt/Main. Im April 1951 wurden sie dem genau ein Jahr zuvor entstandenen Bundesministerium für Wirtschaft in Bonn übergeben, das sie im Juni 1952 schließlich dem Bundesarchiv in Koblenz zuleitete.
Archivische Bearbeitung
Im Bundesarchiv wurden die Unterlagen mühsam geordnet und auf die insgesamt enthaltenen 17 verschiedenen Provenienzen verteilt. Grundlage bildeten dabei die Provenienzen nach dem Stand von Anfang 1945. Dem Bestand R 8 I Reichsstelle für Textilwirtschaft wurden deshalb als Vorprovenienzen auch die Akten der in ihr aufgegangenen Überwachungs- und Reichsstellen zugeschlagen. Lediglich die Unterlagen der Bremer Überwachungs- bzw. Reichsstelle für Baumwolle sind restlos verloren. Da der Bereich Asbest und Glasfasern seine eigene Registratur auch nach der Vereinigung mit der Reichsstelle für Textilwirtschaft behielt, wurden diese Akten gesondert zusammengefasst.
Da ein Aktenplan der Reichsstelle nicht überliefert ist, wurden die als archivwürdig bewerteten Akten nach einer neuen sachlich-chronologischen Ordnung verzeichnet, die sich aus dem Inhalt der Akten ergab. Die Neuordnung und Verzeichnung, bei der der Inhalt jedes einzelnen Stücks richtig ermittelt und der Betreff neu formuliert werden musste, wurde durch Archivrat Dr. Facius bis Oktober 1954 vorgenommen. Dabei wurden alle Bewirtschaftungsangelegenheiten im engeren Sinne, insbesondere einzelne Herstellungsanweisungen, Rohstoffzuteilungen, Einfuhr- und Verarbeitungsbewilligungen kassiert. Sie waren ursprünglich auf Vordrucken erteilt, aber hier nur in Durchschriften auf vordrucklosem Papier erhalten und deshalb unverständlich und wertlos. Eine umfangreiche Sammlung von Tageskopien und Korrespondenzen mit Einzelfirmen ohne wirklichen Aussagewert konnten nach sorgfältiger Prüfung ebenfalls vernichtet werden. 1956 war das erste Findbuch mit umfangreicher Einleitung fertig; es enthielt zunächst die Signaturen Nr. 1-317 und - als Abteilung Asbest und Glasfasern - die Nr. 1001-1161.
1962 und 1967 wurden in Koblenz Ergänzungen zum bestehenden Findbuch mittels vorläufiger Archivverzeichnisse vorgenommen. So kamen die Signaturen Nr. 318-440 und Nr. 1162-1196 hinzu. Woher das hinzugefügte Material stammte, ließ sich leider nicht mehr rekonstruieren, es ist aber anzunehmen, dass es sich ebenfalls um von den Amerikanern beschlagnahmte Dokumente handelte; auf eine Zuordnung zur Klassifikation wurde dabei verzichtet. Zu einem unbekannten späteren Zeitpunkt wurden einige wenige weitere Nachträge im Koblenzer Findbuch vorgenommen (Nr. 441-448 und Nr. 1197-1200). Außerdem fanden sich die Nr. 1201-1229 noch in einer Findkartei mit Nachträgen zu den Wirtschaftsbeständen, die in den 1990er Jahren aus Koblenz nach Berlin gegeben wurde. Hier handelte es sich dem Augenschein nach zum Teil um Abgaben des Bayerischen Hauptstaatsarchivs.
Eine Übertragung des Findbuchs in die Datenbank des Bundesarchivs Basys-S, bei der die Klassifikation des Bestandes aber nicht grundsätzlich verändert wurde, erfolgte 2015. Titelbildung, Enthältvermerke und Serienbildung wurden - wo erforderlich - heutigen Standards angepasst, bei Personalunterlagen auch Namen erfasst. Allerdings wurden einige wenige sehr lange Enthältvermerke (v.a. Nr. 306 und 316), die bei der außerordentlich detaillierten Erstverzeichnung der als besonders wertvoll eingestuften Statistiken entstanden waren, belassen, da sie recht hilfreich sein dürften. Die statistischen Unterlagen wurden in der Klassifikation noch stärker konzentriert und einige reine Doppelstücke (Nr. 1003, 1004, 1010) kassiert.
Bestandsbeschreibung
Die Akten dieses Bestandes ermöglichen Einblicke in die Tätigkeit einer Reichsstelle für einen bedeutenden deutschen Wirtschaftszweig, vor allem in den Kriegsjahren. Bei aller Lückenhaftigkeit, die auf den Verlusten beim Zusammenbruch und der Wegführung von Akten durch die Amerikaner beruht, lassen sich wesentliche Erkenntnisse über die gesetzlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der textilwirtschaftlichen Reichsstellen und ihre Tätigkeit gewinnen. Als besonders wertvoll erschien das beträchtliche statistische Material, auf dessen Erschließung bei der Erstverzeichnung große Sorgfalt verwandt wurde; es bietet für vielerlei wirtschafts- und sozialgeschichtliche Probleme der deutschen Textilwirtschaft im 2. Weltkrieg schlüssige Auskünfte.
Schwerpunkte der Überlieferung bilden vor allem die Materialien zur Planung und Lenkung der Produktion (1935-1945), Einfuhr, Ausfuhr, Devisen (1934-1945), Verarbeitung, Bedarf, Verbrauch (1933-1945) sowie die Sammlung von Anordnungen und Bekanntmachungen der Reichsstelle und des Reichswirtschaftsministeriums bezüglich der Bewirtschaftung von Textilrohstoffen, Spinnstoffen und Spinnstoffwaren (1934-1945).
Erschliessungszustand
Online-Findbuch (2015)
Zitierweise
BArch R 8-I/...