Wirtschaftsstab Ost mit nachgeordnetem Bereich
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Wirtschaftsstab Ost mit nachgeordnetem Bereich
Geschichte des Bestandsbildners
Nachdem Hitler im Sommer 1940 den Entschluss zum Angriff auf die Sowjetunion gefasst hatte, begannen im November im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt des OKW die organisatorischen und konzeptionellen Vorarbeiten für die geplante wirtschaftliche Ausbeutung der zu besetzenden Ostgebiete. Von der Militärverwaltung getrennt, formal aber im Wehrmachtsrahmen war die Einrichtung einer militärischen Wirtschaftsorganisation Ost vorgesehen, die die gesamten wirtschaftlichen Ressourcen des Landes kontrollieren und für deutsche Zwecke nutzbar machen sollte.
Nachdem Göring im Februar 1941 den Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts General Georg Thomas beauftragt hatte, mit der Aufstellung der militärischen Wirtschaftsdienststellen zu beginnen, trat am 21. Februar unter dem Decknamen"Arbeitsstab Oldenbur" der spätere Wirtschaftsstab Ost zusammen. Wenige Tage später wurde mit dem Aufbau der nachgeordneten Dienststellen begonnen. wobei folgende Gesamtgliederung für die Wirtschaftsorganisation Ost vorgesehen war:
1 Wirtschaftsstab Ost
5 Wirtschaftsinspektionen
23 Wirtschaftskommandos
12 Außenstellen
Am 9. Juni erfolgte die Umwandlung des Arbeitsstabs in den"Wirtschaftsstab z.b.V. Oldenbur", gleichzeitig wurden die Einrichtungen der Wirtschaftsorganisation Ost in Einsatzbereitschaft versetzt. Kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni fielen schließlich die Decknamen. Mit den vorrückenden Truppen nahmen die Wirtschaftsdienststellen in den eroberten Gebieten ihre Tätigkeit auf.
Als Leitungs- und Koordinierungsgremium für die Wirtschaftsorganisation Ost war von Göring, dem Hitler die Gesamtleitung der Wirtschaftsverwaltung in den besetzten sowjetischen Gebieten übertragen hatte, im Geschäftsbereich der Vierjahrsplanbehörde der Wirtschaftsführungsstab Ost eingesetzt worden. Als oberste staatliche Dienststelle und zentrales Steuerungsorgan für die Wirtschaftslenkung im Osten hatte er die Richtlinien für die Landesausnutzung der besetzten sowjetischen Territorien auszuarbeiten und angesichts der Vielzahl der in diesen Gebieten tätig werden staatlichen, militärischen und Parteidienststellen für die Einheitlichkeit der Wirtschaftspolitik zu sorgen.
Vorsitzender des Wirtschaftsführungsstabs Ost war Staatssekretär Paul Körner, Görings Stellvertreter im Vierjahresplan. General Thomas, der als Chef der Stammbehörde des Wirtschaftsstabs Ost ursprünglich die Leitung im Wirtschaftsführungsstab Ost angestrebt hatte, musste sich mit der Federführung begnügen. Daneben waren alle an der wirtschaftlichen Ausbeutung der besetzten Ostgebiete beteiligten Ministerien durch hochrangige Beamte vertreten. Mitglieder waren u.a. Staatssekretär Herbert Backe (Reichsernährungsministerium), Hermann von Hanneken (Reichswirtschaftsministerium) und Friedrich Alpers (Reichsforstamt). Da der Vierjahresplan und die Ministerien dazu übergingen, über die Leiter der Chefgruppen (s.u.) direkt in die Tätigkeit des Wirtschaftsstabs Ost einzugreifen, verlor der Wirtschaftsführungsstab Ost in kurzer Zeit stark an Bedeutung, so dass ab dem Frühjahr 1942 keine Sitzungen mehr stattfanden.
Das eigentliche Vollzugsorgan in den besetzten sowjetischen Gebieten war der Wirtschaftsstab Ost, der zugleich die organisatorische Spitze der Wirtschaftsorganisation Ost bildete. Unterhalb der Spitze und der Führungsgruppe bestand er bei Feldzugsbeginn aus den Chefgruppen Landwirtschaft (La), Militär (M) und Wirtschaft (W). Im Frühjahr und Sommer 1942 wurden zusätzlich die Chefgruppen Arbeit (A), Forst- und Holzwirtschaft (FH) sowie Betriebsförderung und Berufserziehung (BB) neu gebildet. Die für die Rüstungswirtschaft zuständige Chefgruppe M wurde aus Mangel an zu verwaltenden Rüstungsbetrieben Ende 1941 mit der Führungsgruppe zur Chefgruppe Fü/M vereinigt, die im März 1942 in"Sta" umbenannt wurde.
Erster Chef des Wirtschaftsstabs Ost wurde am 25. März 1941 Generalleutnant der Luftwaffe Wilhelm Schubert, bis dahin Rüstungsinspektor im besetzten Paris. Aufgrund offensichtlicher Führungsschwäche musste er am 30. Juni 1942, also noch vor Beginn der deutschen Sommeroffensive, seinen Posten räumen. Anschließend wurde die Leitung vom 1. Juli bis zum 2. August 1942 von General Thomas kommissarisch wahrgenommen. Am 3. August 1942 übernahm schließlich Generalleutnant Otto Stapf die Führung, der sie bis zur Auflösung des Wirtschaftsstabs Ost im Herbst 1944 behielt. Eine weitere Führungsrolle bei der Wirtschaftsverwaltung im Osten nahm Generalmajor Hans Nagel ein, der, bis dahin Verbindungsoffizier des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts zu Göring, am 27. Mai 1942 zum Generalinspekteur der wehr- und rüstungswirtschaftlichen Dienststellen in den besetzten Ostgebieten ernannt wurde.
Über den Wirtschaftsstab Ost war zwar der vom OKW ausgehende militärische Befehlsstrang zu den nachgeordneten Dienststellen gesichert, außer an der Spitze und in der Führungsgruppe fanden sich jedoch kaum Militärs. Das Schwergewicht der Arbeit lag vielmehr bei den zivilen Fachabteilungen (Chefgruppen), die weitgehend von den entsprechenden Reichsbehörden dirigiert wurden. Einflussreiche Vertreter der Ministerialbürokratie waren Hans Joachim Riecke, Ministerialdirektor im Reichsernährungsministerium und Leiter der Chefgruppe La, Gustav Schlotterer, Ministerialdirektor im Reichswirtschaftsministerium und Leiter der Chefgruppe W, und Johannes Barth, Ministerialdirigent im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und Leiter der Chefgruppe FH.
Der nachgeordnete Bereich des Wirtschaftsstabs Ost umfasste im rückwärtigen Heeresgebiet (Militärverwaltungsgebiet):
- Wirtschaftsinspektionen
- Wirtschaftskommandos mit Nebenstellen;
im Armeegebiet (Operationsgebiet):
- Armeewirtschaftsführer
- vorgezogene Wirtschaftskommandos mit Nebenstellen.
Die vorgesehenen fünf Wirtschaftsinspektionen sollten den Planungen zufolge ihren Sitz in Moskau, Kiew, Leningrad und Baku nehmen, die fünfte sollte in Reserve stehen. Entsprechend der Gliederung des Ostheeres beim Angriff auf die Sowjetunion in drei Heeresgruppen nahmen zunächst nur drei Wirtschaftsinspektionen, die Wirtschaftsinspektionen Nord, Mitte und Süd, die Arbeit auf. Die Wirtschaftsinspektion z.b.V."Westfale" und die Wirtschaftsinspektion z.b.V."Hesse" rückten vorerst nicht aus. Die Wirtschaftsinspektion z.b.V."Westfale" kam dann von Mai 1942 bis Januar 1943 zum Einsatz. Zunächst war sie als Bezirks-Wirtschaftsinspektion Donez der Wirtschaftsinspektion Süd unterstellt, im Juli 1942 wurde sie dann zur Wirtschaftsinspektion A umgebildet und erhielt im September 1942 die Bezeichnung Wirtschaftsinspektion Kaukasus. Die Wirtschaftsinspektion Süd führte von Juli bis September 1942 den Namen Wirtschaftsinspektion B, anschließend hieß sie Wirtschaftsinspektion Don-Donez bis sie im Februar 1943 wieder in Wirtschaftsinspektion Süd umbenannt wurde. Zusätzlich wurden dem Wirtschaftsstab Ost Anfang 1943 die Wehrwirtschaftsinspektionen Ostland und Ukraine unterstellt, die bis dahin als Rüstungsinspektionen Ostland und Ukraine zum nachgeordneten Bereich des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts gehört hatten.
Analog zum Wirtschaftsstab Ost gegliedert und mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet waren die Wirtschaftsinspektionen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich, also dem rückwärtigen Heeresgebiet der jeweiligen Heeresgruppe, für alle Bereiche der wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes zuständig. In ihre Entscheidungskompetenz fiel es, Betriebe zu schließen, auszuschlachten oder wieder aufzubauen, sie hatten die Verfügungsgewalt über sämtliche landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Rohstoffvorkommen, sie bestimmten über den Arbeitseinsatz und die Produktion.
Angesichts erster Engpässe bei der Truppenversorgung im Spätsommer 1941 wurden die Wirtschaftsinspektionen zunächst angewiesen, verstärkt für die Deckung des Sofortbedarfs der kämpfenden Truppe zu sorgen. Im November 1941 wurde den Wirtschaftsinspekteuren dann die Aufgabe übertragen, als Heeresgruppenwirtschaftsführer (He Wi Fü) die Heeresgruppenbefehlshaber in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beraten. Damit verbunden war die Verpflichtung, im Bereich der Truppenversorgung eng mit den Quartiermeisterabteilungen der jeweiligen Heeresgruppe zu kooperieren.
Den Wirtschaftsinspektionen unterstellt waren die Wirtschaftskommandos. Ähnlich gegliedert wie die Wirtschaftsinspektionen und für den längerfristigen Einsatz an einem Ort bestimmt waren sie die eigentlichen Exekutivorgane der Landesausnutzung. Innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs, meist eines sowjetischen Oblasts (Verwaltungsbezirk), war ihre Aufgabe die systematische Ausbeutung und Nutzbarmachung der wirtschaftlichen Ressourcen für deutsche Zwecke. Entsprechend den Weisungen der übergeordneten Dienststellen organisierten sie die Erkundung und den Abtransport von Wirtschaftsgütern, Erdöl und Rohstoffen, die Aufnahme betrieblicher Produktion, den Arbeitseinsatz dienstverpflichteter Landeseinwohner und die Verschleppung so genannter"Ostarbeite" ins Reich.
Die vor dem Krieg nach wirtschaftsgeographischen Gesichtspunkten festgelegten Einsatzgebiete der Wirtschaftsdienststellen wurden im Februar 1942 den Grenzen der militärischen Verbände angeglichen. Der Zuständigkeitsbereich einer Wirtschaftsinspektion deckte sich von nun am mit dem Gebiet einer Heeresgruppe, die Grenzen der Wirtschaftskommandos wurden denen der Armeen angepasst. Bei mehreren Wirtschaftskommandos in einem Armeegebiet fungierte eines als leitendes Wirtschaftskommando. Die Benennung der Wirtschaftskommandos, die sich anfangs nach ihrem Sitz gerichtet hatte, erfolgte später aufgrund häufiger Verlegungen mit Nummern.
Im Armeegebiet fungierten Armeewirtschaftsführer als Verbindungsoffiziere des Wirtschaftsstabs Ost zu den Armeeoberkommandos. Einerseits waren sie den Armeeoberkommandos unterstellt, andererseits an die wirtschaftlichen Weisungen der Wirtschaftsinspektionen gebunden. Zugleich waren sie Verbindungsoffiziere des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts.
Ihre Hauptaufgabe war die Versorgung der Truppen aus dem Land. Daneben hatten sie alle kriegswirtschaftlich verwertbaren Vorräte und Produktionsstätten noch während der Kampfhandlungen zu erkunden und zu sichern. Die Resultate ihrer Tätigkeit hatten sie dem Wirtschaftsstab Ost zu melden. Zur Durchführung ihrer Aufgaben standen den Armeewirtschaftsführern gut ausgerüstete wirtschaftliche und technische Truppen zur Verfügung: Wehrmachterfassungskommandos, Technische Bataillone, Bergungstrupps, Rohstofferkundertrupps, Landwirtschaftlich-technische Züge, Mineralöleinheiten, Bergbaukompanien und vorgezogene Wirtschaftskommandos.
Die ökonomischen Zielsetzungen und die Methoden der Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten waren in den vom Wirtschaftsführungsstab Ost ausgearbeiteten"Richtlinien für die Führung der Wirtschaft in den neubesetzten Ostgebiete" verbindlich festgeschrieben. Diese aufgrund der Farbe ihres Einbandes so genannte"Grüne Mapp" war unmittelbar vor dem Angriff auf die Sowjetunion in hoher Auflage erschienen und diente auf allen Ebenen der Wirtschaftsorganisation Ost als Leitfaden für die Wirtschaftsführung.
Anders als in den übrigen besetzten Ländern, in denen die deutschen Besatzer vor allem auf eine Kooperation mit der ansässigen Wirtschaft setzten, war im Bereich der Sowjetunion eine Zusammenarbeit mit der einheimischen Wirtschaftsführung von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr sollten sämtliche Betriebe und wirtschaftlichen Ressourcen des Landes unmittelbar von deutschem Personal gelenkt und für die deutsche Kriegswirtschaft nutzbar gemacht werden. Auf diese Weise sollte eine militärische Kommandowirtschaft geschaffen werden, die vor allem zwei Aufgaben zu erfüllen hatte:
- die Sicherstellung der Versorgung der kämpfenden Truppe aus dem Land mit Arbeitskräften, Nachschubgütern und Nahrungsmitteln
- die Unterstützung der deutschen Kriegswirtschaft durch eine radikale Ausplünderung der okkupierten Gebiete.
In der Praxis zeigte sich, dass die Dienststellen der Wirtschaftsorganisation Ost oft große Schwierigkeiten hatten, die beiden gegeneinander wirkenden Aufgaben auszubalancieren.
Insgesamt vollzog sich die Tätigkeit der Wirtschaftsorganisation Ost in drei Phasen: Das von der deutschen Führung ursprünglich verfolgte Konzept einer Kolonisations- und Raubbauwirtschaft wurde angesichts der veränderten Kriegslage nach dem ersten Jahr aufgegeben. Stattdessen wurde nun versucht, durch einen umfassenden Wirtschaftsaufbau in den besetzten Ostgebieten die deutsche Kriegswirtschaft zu unterstützen. Beim Rückzug des deutschen Heeres schließlich war es Aufgabe der Wirtschaftsdienststellen, durch sogenannte ARLZ-Maßnahmen (Auflockerung, Räumung, Lähmung, Zerstörung), den Vormarsch der feindlichen Truppen zu erschweren.
Mit dem Rückzug der Wehrmacht ab 1943 verringerte sich auch zusehens das Operationsgebiet der Wirtschaftsorganisation Ost. Zahlreiche Dienststellen wurden aufgelöst und das Personal abgezogen. Viele der freigewordenen Verantwortlichen und Fachleute wurden im besetzten Italien bzw. in Frankreich einer neuen Verwendung zugeführt. Nachdem das Territorium der Sowjetunion im Laufe des Jahres 1944 weitgehend von deutschen Truppen geräumt worden war, folgte das offizielle Ende des Wirtschaftsstabs Ost am 1. November 1944, als General Stapf, der am 15. Oktober 1944 das Feldwirtschaftsamt, den Rest des ehemaligen Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts, übernommen hatte, beide Einrichtungen zusammenlegte.
Wirtschaftsstab Ost mit nachgeordnetem Bereich