Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete
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Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete
Geschichte des Bestandsbildners
Im Zusammenhang mit den Vorarbeiten für die"politische Neugestaltung des europäischen Russland" wurde Alfred Rosenberg, Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, am 31. März 1941 von Hitler mit der Leitung eines neuen"Politischen Amtes für den Oste" beauftragt. (1)
Dieses Amt wurde am 20. April 1941 in"Zentralabteilung für die Behandlung von Ostfrage" umbenannt. Mit dem nichtveröffentlichten Erlass des Führers über die Verwaltung der neu besetzten Ostgebiete vom 17. Juli 1941 (2) wurde die Übergabe der Verwaltung in den eroberten Ostgebieten, sobald sie"befriede" waren, von der Militärverwaltung auf die Dienststellen der Zivilverwaltung angeordnet und Reichsleiter Rosenberg (3) zum"Reichsminister für die besetzten Ostgebiet" bestellt. Sitz des neugeschaffenen Ministeriums - die"Zentralabteilung für die Behandlung von Ostfrage" bildete den Grundstock - war Berlin. Rosenbergs"Ständiger Vertrete" wurde Alfred Meyer, Gauleiter von Westfalen-Nord.
Die der Verwaltung des RMbO unterstehenden Gebiete wurden in Reichskommissariate, diese in Generalbezirke und diese wiederum in Kreisgebiete eingeteilt. Mit Erlass gleichen Datums (4) wurde aus den früheren Ländern bzw. Sowjetrepubliken Litauen, Lettland und Estland sowie aus dem neu geschaffenen"Weißruthenie" das Generalkommissariat Ostland (5) gebildet (Gauleiter Lohse mit Sitz in Rowno, später Riga). Der zum westlichen Weißrussland gehörende Bezirk Bialystok wurde der Provinz Ostpreußen angegliedert. Aus der früheren Sowjetrepublik Ukraine entstand durch Erlass Hitlers vom 20. August 1941 (6) unter Einbeziehung eines Teils von Weißrussland das Reichskommissariat Ukraine (7) mit Sitz in Rowno, das Gauleiter Koch am 1. September 1941 übernahm. Von dem Reichskommissariat Ukraine, das sich im Übrigen nicht weiter als bis Charkow erstreckte, wurden Galizien und Transnistrien, ein Gebietsstreifen nördlich von Odessa, abgetrennt und teils dem Generalgouvernement, teils Rumänien zugeschlagen.
Die Reichskommissare sollten nach den Plänen Rosenbergs"als Hoheitsträger des Reichs in ihren Amtsbezirken die gesamte Verwaltung nach den Weisungen des RMbO leiten und beaufsichtige"(8). Die Generalkommissare (9) bildeten die mittlere Instanz der deutschen Zivilverwaltung. Sie leiteten"die Verwaltungen nach den allgemeinen Weisungen des RMbO und den Anordnungen der Reichskommissar". In der Praxis hatten sie, wie auch die Reichskommissare, einen beträchtlichen Spielraum bei der Behandlung ihrer Angelegenheiten. Jedes Generalkommissariat setzte sich aus mehreren Kreisgebieten zusammen, die von Gebietskommissaren (10) verwaltet wurden. Diese stellten die unterste deutsche Verwaltungsbehörde dar und entsprachen etwa den deutschen Landräten. Während die landeseigenen Verwaltungen "Landesdirektore") in erster Linie nur beratende Organe der Reichs- bzw. Generalkommissare blieben, zogen Gebietskommissaren auch einheimische Bürgermeister und Gemeindevorsteher zur Verwaltung heran.
Am 1. April 1944 wurde der Generalbezirk Weißruthenien aus dem RKO gelöst und der Generalkommissar unmittelbar dem RMbO unterstellt; eine praktische Bedeutung hatte die Umorganisation nicht mehr, da das flache Land sich bereits fast vollständig in den Händen der Partisanen befand.
Wenngleich dem RMbO, auch Ostministerium genannt, theoretisch die gesamte Verantwortung für den neuen Osten übertragen worden war, so wurde das Prinzip eines"Territorialministeriu" von vornherein in Bezug auf zwei der wichtigsten Kompetenzen, nämlich Wirtschaft und Polizei durchbrochen.
Der Führererlass über die Wirtschaft in den neu besetzten Ostgebieten vom 29. Juni 1941 (11) dehnte den Auftrag des Beauftragten für den Vierjahresplan, der ohnehin gegenüber allen obersten Reichsbehörden bereits weisungsberechtigt war, auf diese Ostgebiete aus. Dem Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei oblagen mit Führererlass über die polizeiliche Sicherung der neu besetzten Ostgebiete vom 17. Juli 1941 (12) eine unmittelbare Zuständigkeit für diesen Raum. Wenn auch Höhere SS- und Polizeiführer formell in den Stab der Reichskommissare und die nachgeordneten Polizeistellen in die Behörden der General- und Gebietskommissare einbezogen wurden und das Recht besaßen, die ihnen notwendig erscheinenden polizeilichen Maßnahmen zu verlangen, hatten sie doch kein Einspruchsrecht bei generellen Anordnungen. Weitere Einschränkungen der Zuständigkeiten der Zivilverwaltung erfolgten durch den Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums, den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, der die Reichskommissare als seine eigenen Organe in den besetzten Ostgebieten ernannte, dem Reichsminister für Bewaffnung und Munition, den Reichsverkehrsminister, den Reichspostminister, das Auswärtige Amt. Die Zuständigkeit für Propaganda ging durch Führererlass vom 15. August 1943 an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda verloren.
Andere Dienststellen stellten ihren Einfluss in den Ostgebieten dadurch sicher, dass sie Vertreter in den Rahmen des Ostministeriums einbauten, zumindest aber ständige Verbindungsleute unterhielten.
Personalunion bestand zwischen den Leitern der entsprechenden Abteilungen oder Chefgruppen und denen des Wirtschaftsstabes Ost, des Vierjahresplans, der Reichswirtschafts-, Reichsernährungs- und Reichsarbeitsministerien. Obwohl die meisten beteiligten Dienststellen im Zentralplanungsstab des Ostministeriums vertreten waren, so brachte schon die Existenz dieser zahlreichen Organe Konfusion und Heterogenität in das ohnehin verwickelte Labyrinth von Verwaltung und Politik.
Nach dem Stand vom 3. September 1941 war das RMbO in folgende Hauptabteilungen und Abteilungen gegliedert (13):
Hauptabteilung I:Zentralverwaltung
HauptabteilungII:Politik
Abteilung:Allgemeines
Abteilung:Ostland
Abteilung:Ukraine
Abteilung:(Kaukasien)
Abteilung:Russland
Abteilung:Volkstum und Siedlung
Abteilung:Kulturpolitik
Abteilung:Arbeits- und Sozialpolitik
Abteilung:Jugend
Abteilung:Frauen
Abteilung:Presse und Aufklärung
Hauptabteilung III:Allgemeine Verwaltung
HauptabteilungIV:Wirtschaftspolitische und technische Kooperation
Abteilung:Gewerbliche Wirtschaft
Abteilung:Ernährung und Landwirtschaft
Abteilung:Forst- und Holzwirtschaft
Abteilung:Technik
Abteilung:Bankwesen und Währung
Abteilung:Devisen- und Handelspolitik
Abteilung:Verkehr
Abteilung:Preisbildung und Preisüberwachung
Einflussnahme anderer Ressorts und Parteistellen auf die Verwaltung der besetzten Ostgebiete und Kampf um Zuständigkeiten blieben nicht ohne Auswirkung auf die Gestaltung des Aufgabenbereichs und der inneren Organisation des Ministeriums. Zu einer Einrichtung und Aufgabenstellung der einzelnen Organisationseinheiten, insbesondere auf dem Gebiet Wirtschaft und Technik in der ursprünglich vorgesehenen Form ist es deshalb nie gekommen. So hat dann auch die nur teilweise eingerichtete Organisationseinheit Technik, die sich auch mit dem Verkehrswesen befasste, lediglich eine kurze untergeordnete Rolle im Ostministerium gespielt. (14)
Nach über einjährigem Bestehen gliederte sich das RMbO am 1. September 1942 wie folgt
Abteilung Z Zentralverwaltung (Degenhard)
I Hauptabteilung Politik (Dr. Leibbrandt) mit den Abteilungen
Allgemeine politische Angelegenheiten
Ostland
Ukraine
Russland
Kaukasien
Kulturpolitik
Volkstums- und Siedlungspolitik
Presse und Aufklärung (15)
Jugend
Frauen
II Hauptabteilung Verwaltung (Dr. Bunte)
Personalabteilung
Innere Verwaltung
Gesundheitswesen und Volkspflege
Veterinärwesen
Fürsorge und Selbsthilfe
Rechtswesen
Finanzen
Wissenschaft und Kultur
III Führungsstab Wirtschaftspolitik (Dr. Alfred Meyer)
Chefgruppe Wirtschaftspolitische Kooperation mit den Abteilungen
Organisation und Verwaltung
Allgemeine Wirtschaft
Treuhandverwaltung
Sondergruppe gewerbliche Wirtschaft
Sondergruppe Arbeitspolitik und Sozialverwaltung
Sondergruppe Preisbildung und Preisüberwachung
Sondergruppe Verkehr
Chefgruppe Ernährung und Landwirtschaft
Chefgruppe Forst- und Holzwirtschaft
Von besonderer Bedeutung war die Hauptabteilung Politik, die durch Erlass vom 10. August 1943 in den Führungsstab Politik umgebildet wurde, an dessen Spitze nunmehr der Leiter des SS-Hauptamtes, Berger stand. Sie sollte die allgemeinen politischen Richtlinien des Ministeriums erarbeiten und die der ihm nachgeordneten Dienststellen eine einheitliche politische Ausrichtung gewährleisten.
Ihre Wirksamkeit war jedoch durch die bereits erwähnten Zuständigkeiten der anderen für die Ostpolitik maßgeblichen Dienststellen, durch die weiten Entfernungen bis zu den nachgeordneten Verwaltungsdienststellen und schließlich durch die Unabhängigkeitsbestrebungen der Reichskommissare Koch und Lohse, die sich häufig über Weisungen des RMbO hinwegsetzten, erheblich eingeschränkt. Die generelle Funktionsschwierigkeit des Ministeriums dürfte u. a. aber auch auf die Arbeitsqualität und Herkunft seiner Amtsträger zurückzuführen sein, die, soweit sie nicht Spezialkräfte sein mussten, vornehmlich aus der SA und den Ordensjunkern hervorgingen und weder über Verwaltungspraxis noch Vorbildung verfügten (16).
Nach dem Organisationsplan des RMbO vom 1. Februar 1944 (17) umfasste der Führungsstab Politik sechs Führungsgruppen:
Allgemeine politische Angelegenheiten
Deutschtum
Fremdes Volkstum
Kulturfragen
Jugend
Frauen
Für 1944/1945 sind noch folgende Änderungen in der Geschäftsverteilung des Ministeriums erwähnenswert:
Die Hauptabteilung Verwaltung (V), die sich auch mit allen Fragen der äußeren Verwaltung der besetzten Gebiete befasste, wurde ab 1. Februar 1944 in folgende Abteilungen gegliedert:
Zentralabteilung
Personalabteilung
Innere Verwaltung
Gesundheitswesen und Volkspflege
Rechtswesen
Finanzen
Erziehung und Wissenschaft
Treuhandverwaltung
Generalreferat für Raumordnung
Für die wirtschaftlichen Sachgebiete, meist in Personalunion mit dem Beauftragten für den Vierjahresplan, gab es folgende Hauptabteilungen:
Wirtschaft (W)
Ernährung und Landwirtschaft (E)
Forst- und Holzwirtschaft (FH) sowie die Sonderabteilung Arbeit (A), die zunächst Bestand der Chefgruppe Wirtschaft war und deren Stab vom Reichsarbeitsministerium gestellt wurde. Hinzu kam noch der Beauftragte für Sonderaufgaben (BfS [Sonderreferat Malettke]), der dem Minister , bzw. seinem ständigen Vertreter unmittelbar unterstellt war und dem es oblag, sich der wirtschaftlichen Betätigung von Gesellschaften und Firmen anderer europäischer Staaten in den besetzten Ostgebieten anzunehmen.
Anmerkungen
(1) G. Reitlinger: Ein Haus auf Sand gebaut, Hamburg 1962, S. 157.
(2) BArch R 43 II/ 685 a"Die Zivilverwaltung in den besetzten Ostgebiete" fol. 41.
(3) 1893-1946; Publizist; 1925 Chefredakteur, ab 1938 Herausgeber des Völkischen Beobachters; 1930-1945 MdR; 1933 Reichsleiter und Chef des Außenpolitischen Amtes der NSDAP; 1934 Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP; Rosenberg wurde in Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess zum Tode verurteilt und hingerichtet.
(4) BArch R 43 II/ 685, fol. 43.
(5) Vgl. BArch Bestand R 90.
(6) BArch R 6/ 21
(7) Vgl. BArch Bestand R 94.
(8) BArch R 43 II/ 685, fol. 10.
(9) Vgl. BArch Bestände R 92 und R 93.
(10) Vgl. BArch Bestand R 91.
(11) BArch R 43 II/ 685, fol. 42.
(12) ebenda, S. 43.
(13) ebenda, S. 9.
(14) Bräutigam: Überblick über die besetzten Ostgebiete, Tübingen 1954, S. 32.
(15) Diese Abteilung wurde bereits Anfang 1943 zu einer selbständigen Organisationseinheit Pressechef umgestaltet.
(16) Bräutigam: ebenda, S. 25.
(17) BArch R 6/ 226.
Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete