Haupttreuhandstelle Ost und Treuhandstellen
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Haupttreuhandstelle Ost und Treuhandstellen
Geschichte des Bestandsbildners
Die Haupttreuhandstelle Ost (HTO) mit Sitz in Berlin wurde durch den Erlass vom 19. Oktober 1939 des Vorsitzenden des Ministerrates für die Reichsverteidigung und Beauftragten für den Vierjahresplan, Hermann Göring, ins Leben gerufen. Die Veröffentlichung ihrer Errichtung und die Beschreibung ihrer Aufgaben erfolgte durch die Bekanntmachung im Reichsanzeiger vom 1. November 1939 (RA Nr. 260). Ihre erste Aufgabe war, die durch die Auflösung des polnischen Staates im Jahre 1939 herrenlos gewordenen großen polnischen und jüdischen Vermögenswerte, Liegenschaften, Betriebseinrichtungen und sonstige Rechte aufzufangen und zu beschlagnahmen sowie durch kommissarische Verwaltung die Produktion und den Güteraustausch für die Interessen der Kriegswirtschaft wieder in Gang zu bringen. Mit der treuhänderischen Verwaltung der beschlagnahmten Vermögen war zunächst keine Rechtsübertragung verbunden. Ausgenommen waren jedoch Handels- und Handwerksbetriebe im Werte bis zu 20.000 RM und Wohnungsmobiliar geflüchteter oder aus sonstigen Gründen abwesender Personen, weil in diesen Fällen die Vermögensverwaltung als zu aufwendig angesehen wurde. Später traten der Umsiedlereinsatz und die Fürsorge für den künftigen Einsatz der Kriegsteilnehmer hinzu.
Die grundlegenden Gesetze, auf denen die Arbeit der HTO beruhte, waren:
1. die Verordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan über die Sicherstellung des Vermögens des ehemaligen polnischen Staates vom 15. Januar 1940 (RGBl. I S. 174);
2. die Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940 (RGBl I S. 1270);
3. die Verordnung über die Abwicklung der Forderungen und Schulden polnischer Vermögen (Schuldenabwicklungsverordnung) vom 15. August 1941 (RGBl I S. 516).
Die gesamte Rechtsmaterie, insbesondere auch alle für die Arbeit der HTO maßgeblichen Verwaltungsvorschriften wurden in einem"Mitteilungsblat" der HTO zusammengefasst, das nach Bedarf erschien.
Die Zuständigkeit der HTO beschränkte sich auf die eingegliederten Ostgebiete. In dem zugewiesenen Aufgabenbereich war sie allein zur Beschlagnahme und zur Bestellung und Abberufung kommissarischer Verwalter befugt. Von anderen Stellen eingesetzte kommissarische Verwalter bedurften ihrer Bestätigung.
Nicht in die Zuständigkeit der HTO gehörte die Landwirtschaft einschließlich der landwirtschaftlichen Nebenbetriebe in den eingegliederten Ostgebieten. Sie waren der Verfügungsberechtigung des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums überlassen, mit Rücksicht auf die ihm übertragenen Siedlungsaufgaben. Die Abgrenzung der Zuständigkeit erfolgte durch den Erlass des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums vom 10. November 1939 und entsprechende Rundverfügungen des Leiters der HTO.
Zur Durchführung der Aufgaben errichtete die HTO unter Fortsetzung der bisher damit befassten Dienststellen des Chefs der Zivilverwaltung in jedem Ostgau eine Treuhandstelle:
in Gotenhafen für Danzig-Westpreußen,
in Kattowitz für die Provinz Oberschlesien,
in Posen für den Warthegau,
in Litzmannstadt eine Treuhandnebenstelle für dieses besondere Wirtschaftsgebiet,
in Zichenau für die Provinz Ostpreußen.
Für das Generalgouvernement wurde durch Verordnung des Generalgouverneurs vom 15. November 1939 (Verordnungsblatt des GG Nr. 6, S. 31) eine besondere Treuhandstelle für das Generalgouvernement mit Sitz in Krakau errichtet.
Zwischen der HTO und ihren Treuhandstellen war die Tätigkeit zunächst in der Weise aufgeteilt, dass die HTO die allgemeinen Richtlinien erteilte und insbesondere bei der Verwaltung der Großbetriebe mitwirkte. Außerdem hatte sie über Beschwerden gegen Maßnahmen der Treuhandstellen zu entscheiden. Durch die Zweite Anordnung über die HTO vom 17. Februar 1941 (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 51 - MBl S. 86) erfolgte die Zuständigkeitsabgrenzung in der Weise, dass die HTO nunmehr für die Verwaltung und Verwertung der Großbetriebe im Werte von über 500.000,- RM zuständig war; außerdem wurden die allgemeinen Richtlinien für die Verwaltung und Verwertung aller Betriebe von ihr weiterhin erlassen.
Auf einigen wichtigen Sondergebieten bediente sich die HTO außerdem der Mitwirkung von Gesellschaften, deren Gründung sie teilweise selbst herbeiführte oder maßgebend beeinflusste.
Der ungeheure Umfang des beschlagnahmten Grundbesitzes aus polnischer und jüdischer Hand in den eingegliederten Ostgebieten machte die Einrichtung einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft, der Grundstücksgesellschaft der Haupttreuhandstelle Ost mbH (GHTO) erforderlich (siehe Bestand R 140).
Sie wurde durch Anordnung der HTO vom 27. Mai 1940 ins Leben gerufen und mit der Verwaltung und Verwertung der beschlagnahmten Grundstücke für Wohnungszwecke in den eingegliederten Ostgebieten betraut. Neben der Zuweisung von Wohnraum für Deutsche oblag ihr auch die Durchführung wissenschaftlicher Studien auf dem Gebiet des Wohnungs- und Siedlungswesens. Nachdem durch die Zweite Anordnung über die HTO vom 17. Februar 1941 innerhalb des Aufgabengebietes der HTO eine Dezentralisation zugunsten der örtlichen Treuhandstellen verordnet worden war, wurden im Jahre 1942 die Leitstellen der GHTO in selbständige Gaugesellschaften mbH umgewandelt und zwar:
die Grundstücksgesellschaft für den Reichsgau Danzig-Westpreußen mbH (Gedewe) in Gotenhafen (Gedingen),
die Grundstücksgesellschaft für die Provinz Oberschlesien mbH (Geos) in Kattowitz,
die Grundstücksgesellschaft für den Reichsgau Wartheland mbH (Gewa) in Posen
die Grundstücksgesellschaft für die Provinz Ostpreußen mbH (eingegliedertes Gebiet) (Geope) in Zichenau.
Die Verwaltung der Grundstücke wurde nunmehr Aufgabe dieser Gaugesellschaften, während die GHTO die Aufsicht über diese Gesellschaften führte um eine einheitliche Geschäfts- und Verwaltungspraxis zu gewährleisten. Mit dem 1. Januar 1943 trat die GHTO in Liquidation. Beaufsichtigung und einheitliche Ausrichtung der Gaugesellschaften wurde von diesem Zeitpunkt an zur Aufgabe der HTO.
Zur Erfassung, Verwaltung und Verwertung des Vermögens ehemaliger Angehöriger des polnischen Staates im Altreich (darunter war das am 1. September 1939 zum Großdeutschen Reich gehörige Gebiet, also einschließlich des Protektorats Böhmen und Mähren, zu verstehen) wurde die"Sonderabteilung Altreic" eingerichtet, welche ihre Aufgaben als Abteilung der Zentrale der HTO, aber strukturell wie eine besondere kleine Treuhandstelle durchführte.
Das im Altreich gelegene staatliche Vermögen des ehemaligen polnischen Staates, vornehmlich Botschafts- und Konsularvermögen und Forderungen gegen Unternehmen im Altreich, war der Zuständigkeit der HTO vorbehalten.
Die im Altreich belegenen Vermögensobjekte, die Bestandteil eines in den eingegliederten Ostgebieten gelegenen, zum Zuständigkeitsbereich einer Treuhandstelle gehörenden Unternehmens waren, blieben der Verfügung dieser Treuhandstelle vorbehalten.
Das polnische landwirtschaftliche Vermögen im Altreich fiel gemäß Vereinbarung mit dem Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstum in die Zuständigkeit der Sonderabteilung. Die Verwertung würde jedoch im Einvernehmen mit dem Reichskommissar vorgenommen. Die Aufgaben der Sonderabteilung Altreich in Böhmen und Mähren würden durch ein dem Vermögensamt beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren unterstellte Referat wahrgenommen.
Weitere Hilfsgesellschaften der HTO waren:
1. Die Hotel- und Gaststättengesellschaften Wartheland, Danzig-Westpreußen und Oberschlesien (für den Bezirk Zichenau bestand nur ein kommissarischer Generalverwalter). Ihnen oblag die Erfassung, Verwaltung und Verwertung der Hotels, Gaststätten und Fremdenheime in Zuständigkeitsbereich der HTO, sie nach deutschen Ansprüchen umzubauen und einzurichten und überhaupt am Aufbau eines entsprechenden Fremdenverkehrsgewerbes mitzuwirken.
2. Die Handelsaufbau Ost GmbH mit ihren 4 Auffanggesellschaften für Kriegsteilnehmerbetriebe des Handels in den 4 Gauen. (siehe Bestand R 88).
Sie sind unter Beteiligung der Reichsgruppe Handel eingerichtet worden, um die Planung im Handel durchzuführen, bei der Besetzung der Betriebe mit geeigneten Kaufleuten mitzuwirken bzw. um die für die Kriegsteilnehmer vorgesehenen Handelsbetriebe zu verwalten.
3. Die Handwerksaufbau-Ost GmbH. Sie wurde unter Mitwirkung des Reichsstandes des Deutschen Handwerkes geschaffen, um den Umbau und die Einrichtung von Handwerksbetrieben für den Einsatz deutscher Handwerker vorzunehmen.
4. Die in Liquidation getretene Verwaltungs- und Verwertungs-Gesellschaft der Haupttreuhandstelle Ost mbH (VVG) . Sie war mit der Regelung des ehemaligen polnischen internationalen Warenverkehrs und der Erfassung und Verwaltung von Rohstoffen und Wirtschaftsgütern betraut.
Für wirtschaftliche Spezialaufgaben wurden nach Möglichkeit andere bereits vorhandene Organisationen eingesetzt, so
1. Die Allgemeine Film-Treuhand GmbH, eine Gesellschaft der Reichs-Filmkammer für die kommissarische Verwaltung von Film-Theatern in den eingegliederten Ostgebieten.
2. Die Landwarenhandels-Gesellschaft für den deutschen Osten GmbH.
Sie war von den am privaten Landwarenhandel beteiligten Organisationen und Banken gegründet worden und hatte die Aufgabe, den Landhandel in den eingegliederten Ostgebieten neu aufzubauen und bei der Verwaltung und Verwertung der beschlagnahmten Landwarenhandelsbetriebe mitzuwirken.
3. Die Aufbaugesellschaft des ostdeutschen Landmaschinenhandels mbH, an deren Gründung maßgebende Wirtschaftkreise, Banken und Firmen des Landmaschinenhandels beteiligt waren, hatte die gleichen Aufgaben auf dem Gebiete des Landmaschinenhandels.
Die Anschrift der Zentrale der HTO lautete am 21. Februar 1945: Berlin W 15, Bayerische Straße 5. Daneben bestanden zu dieser Zeit noch Ausweichdienststellen in Grünheide, Friesack, Trebbin und Bückeburg. Infolge der Luftangriffe auf Berlin waren bereits Ende 1943 Abteilungen evakuiert worden. Die Abteilungen I, II und III befanden sich zunächst in Ratibor, die Sonderabteilung Altreich wurde in Trebbin untergebracht. Die Abteilung Vermögensverwaltung kam zunächst nach Alt-Landsberg, später nach Grünheide, im Februar 1945 soll sie nach Bückeburg verlegt worden sein.
Haupttreuhandstelle Ost und Treuhandstellen