Deutsches Kalisyndikat GmbH
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Deutsches Kalisyndikat GmbH
Geschichte des Bestandsbildners
Die Erkenntnisse der Agrikulturchemie führten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in wachsendem Umfang zur Verwendung der Kalisalze als landwirtschaftliches Düngemittel. 1859 wurden die Kalilager bei Staßfurt ermittelt, bereits zwei Jahre später entstand dort die erste deutsche Kalifabrik. Weitere sehr bedeutende Vorkommen wurden im übrigen Mitteldeutschland und im Oberrheingebiet (Baden und Elsass) bergbaulich erschlossen.
Das Deutsche Reich besaß von 1871-1919 nahezu das Weltmonopol für Kali. Der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Kaliindustrie im Kalisyndikat garantierte seit 1888 die Behauptung dieser hervorragenden Stellung. Sie war von innen her ernsthaft bedroht, als 1909 das Syndikat auseinanderbrach. Erst durch das Eingreifen des Reichs konnten wieder geordnete Verhältnisse hergestellt werden. Entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung der deutschen Kaliindustrie erhielt ihre Organisation in einem Zwangssyndikat durch das Gesetz über den Absatz von Kalisalzen vom 25. Mai 1910 (RGBl. I, S. 775 ff.) eine völlig neue Grundlage, die zugleich den praktischen Anfang der Zwangskartellierung in der deutschen Wirtschaftsgeschichte darstellt. Das neue Kalisyndikat (Kalisyndikat GmbH) von 1910 war zwar nach außen hin immer noch privatwirtschaftlich organisiert, aber seine Stellung als Zwangskartell und Verkaufsmonopolorganisation war durch das Reichsgesetz wesentlich gefestigter als früher und mit öffentlich-rechtlichen Elementen durchsetzt. Es unterstand der Aufsicht des Reichs, die infolge des Fehlens eines Reichsamtes für wirtschaftliche Angelegenheiten vom Reichskanzler ausgeübt wurde. Die Rechtsstellung des Kalisyndikats war nicht ausdrücklich bestimmt, es kam ihm aber ein öffentlich-rechtlicher Charakter"kraft Wesen" zu.
Sichtbarster Ausdruck dieser Neuerungen war die Verteilungsstelle für die Kaliindustrie in Berlin, die schon Ende 1910 auf Grund der §§ 30 - 34 des genannten Kaligesetzes von 1910 ihre Tätigkeit auf Kosten des Reichs (§ 44) aufnahm. Die Verteilungsstelle war für die gesamte Absatzregelung auf weite Sicht zuständig. Durch vorsorgliche Maßnahmen sollten die Gefahren, die schließlich 1909 über Absatzstockung und Preiskämpfe infolge Überproduktion zum Ende des alten Kalisyndikats geführt hatten, gebannt werden. Gegen die Festsetzungen und Entscheidungen der Verteilungsstelle waren Berufungen zulässig, für die gleichzeitig eine besondere Berufungskommission für die Kaliindustrie gebildet wurde (a.a.O., §§ 31 - 33). Die Hauptarbeit der neuen Organisation fiel der Verteilungsstelle zu. Ihre bescheidene Bezeichnung ließ nur die eine Seite ihrer Tätigkeit, die Absatzregelung, erkennen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, bedurfte die Stelle genauer Kenntnis der gesamten deutschen Kaliindustrie. Die andere Seite der Tätigkeit der Verteilungsstelle bestand deshalb darin, sich diese Kenntnis über jedes einzelne Kalibergwerk und Kaliwerk auf dem Wege der den Besitzern gesetzlich auferlegten Pflicht zur Auskunftserteilung zu verschaffen. Darüber hinaus hatte die Verteilungsstelle das Recht, Anlagen der Kaliindustrie zu besichtigen und Gruben zu befahren.
Einzelheiten des Gesetzes vom 25. Mai 1910 wurden bis 1918 in weiteren Änderungsgesetzen und Bekanntmachungen abgeändert oder geregelt.
Im Verlauf des Ersten Weltkrieges griffen wirtschaftliche Probleme in einem bis dahin ungeahnten Ausmaß in Politik und Kriegführung ein. Sie führten vor allem in dem von der übrigen Welt beinahe völlig abgeschlossenen Deutschland dahin, dass immer weitere Teile der Wirtschaft durch Zwang erfasst und gelenkt werden mussten. Es sprach für den schon im Frieden geschaffenen soliden Aufbau des Kalisyndikats und der Verteilungsstelle, dass ihre Organisation bis Kriegsende beibehalten werden konnte. Auch die Bestrebungen zur Sozialisierung und Demokratisierung des wirtschaftlichen Lebens im republikanischen Reich seit Ende 1918 änderten am Kern der 1910 gebildeten Einrichtungen nichts (vgl. zum Beispiel Verordnung vom 27. Dezember 1918 über die Teilnahme der Werksangestellten bei Entscheidungen der Verteilungsstelle für die Kaliindustrie - RGBl. I/1919, S. 20 f..
Die Leitgedanken einer Neuregelung der deutschen Kaliwirtschaft wurden noch vor der Vollendung des Weimarer Verfassungswerkes durch das Gesetz über die Regelung der Kaliwirtschaft vom 24. April 1919 (RGBl. I, S. 413 ff., vgl. auch a.a.O., S. 661 f.) niedergelegt. Die grundlegenden Bestimmungen dieses Gesetzes wurden durch die vom Reichsministerium (= Reichsregierung) erlassenen Vorschriften zu seiner Durchführung vom 18. Juli 1919 (RGBl. I, S. 663 ff.) umfassend ausgebaut. Maßgeblich waren schließlich diese Vorschriften in der Fassung der Verordnung vom 22. Oktober 1921 (RGBl. I, S. 1312 ff.), die sich nunmehr auf Artikel 156 der Weimarer Reichsverfassung stützen konnte. Durch das Gesetz vom 19. Juli 1919 (RGBl. I, S. 661 f.) wurde das alte Kaligesetz von 1910 außer Kraft gesetzt, an seine Stelle traten die neuen Vorschriften vom 18. Juli 1919. Die Organisation der Kaliwirtschaft war damit über das Kalisyndikat hinaus zum marktregelnden Einheitsverband erweitert.
Das Deutsche Reich hatte zwar durch den Frieden von Versailles erhebliche Kalivorkommen im Elsass verloren und dadurch sein Weltmonopol eingebüsst, aber es stand in der Weltkaliproduktion immer noch an der Spitze und ließ alle anderen Produktionsländer weit hinter sich. In der deutschen Wirtschaft nahm die Kaliindustrie unverändert einen hervorragenden Platz ein. Die geregelte Versorgung der deutschen Landwirtschaft mit Kali war nach dem Verlust großer landwirtschaftlicher Überschussgebiete in Ostdeutschland jetzt geradezu eine lebenswichtige Frage.
Auf dieser Erkenntnis beruhte die neue Organisation von 1919. Die Kaliindustrie blieb im Deutschen Kalisyndikat GmbH zusammengeschlossen. Als Selbstverwaltungsorgan der Kaliwirtschaft wurde der Reichskalirat ins Leben gerufen (Vorschriften zur Durchführung usw. vom 18. Juli 1919, §§ 2 - 15); er unterstand der Oberaufsicht des Reiches, die vom Reichswirtschaftsministerium ausgeübt wurde. Neben bzw. unter dem Reichskalirat standen eine Reihe von sogenannten Kalistellen für Einzelaufgaben der Kaliwirtschaft:
1. Kaliprüfungsstelle (a.a.O., §§ 17 - 25)
2. Kaliberufungsstelle (§§ 26 - 29. Fortsetzung der früheren Berufungskommission, zuständig für Einsprüche gegen Maßnahmen der Kaliprüfungsstelle)
3. Kalilohnprüfungsstelle erster Instanz (§ 30)
4. Kalilohnprüfungsstelle zweiter Instanz (§§ 31 - 34. Zuständig für Berufungen gegen Entscheidungen der Kalilohnprüfungsstelle erster Instanz)
5. Landwirtschaftlich-technische Kalistelle (§§ 35 - 37. Stelle zur Förderung des inländischen Kaliabsatzes, Beratungsstelle für Kalidüngung usw.).
Sitz des Kalisyndikats, des Reichskalirates und seiner fünf Kalistellen war Berlin. Von den Kalistellen ist die Kaliprüfungsstelle , deren Tätigkeit am 1. Januar 1920 begann, am bedeutendsten. Sie war die gradlinige legitime Fortsetzung der am 31. Dezember 1919 aufgelösten Verteilungsstelle für die Kaliindustrie. Ihre Aufgaben und Befugnisse gegenüber der Kaliindustrie waren stark erweitert, sie verkörperte das ausführende Organ des Reichskalirates. Da die Kaliprüfungsstelle zugleich als Kalilohnprüfungsstelle erster Instanz wirkte, war sie auch mit sozialpolitischen Fragen der Kaliwirtschaft nahe verbunden.
Die wirtschaftlichen Depressionen der ersten Nachkriegsjahre und die aus dem Verlust der elsässischen Kaliwerke hervorgegangene Konkurrenz Frankreichs auf dem Weltkalimarkt zwangen die Kaliprüfungsstelle schon zu Anfang der 1920er Jahre, erstmals in beträchtlichem Umfang einschneidende bergbauliche Maßnahmen zu treffen und eine Reihe von Kalibergwerken, Sonderfabriken und Abteufschächten bis 1933 stillzulegen und die Erschließung neuer Vorkommen auszusetzen. Nur dadurch war es möglich, Förderung und Absatz des Kalis auf weite Sicht zu regeln und die Krisenjahre zu überwinden.
Der nationalsozialistische Staat, der im Sinne seiner Autarkiebestrebungen auch die Landwirtschaft besonders zu heben versprach, wandte sich 1933 sogleich der Kaliwirtschaft zu. In deren Organisation beseitigte er in seinen ersten Maßnahmen durch das Gesetz über Änderung der kaliwirtschaftlichen Bestimmungen vom 21. April 1933 (RGBl. I, S. 205) alles, was seinen Führungsbegriffen widersprach und was ihm allzu sehr nach Weimarer Demokratie aussah. Infolgedessen wurden alle Kalistellen personell weitgehend umbesetzt, die beiden Kalilohnprüfungsstellen aufgelöst. Diese Übergangsregelung wurde bereits am 18. Dezember 1933 durch das neue Kaliwirtschaftsgesetz (RGBl. II, S. 1027 ff.) mit Wirkung vom 1. Januar 1934 beseitigt; Einzelheiten zur Durchführung bestimmte die Verordnung vom 29. Juni 1934 (RGBl. II, S. 363). Diese Vorschriften beseitigten endgültig alle als demokratisch angesehenen und darum missliebig gewordenen Bestandteile der Kaligesetzgebung seit 1919 und ließen unter engster Bindung an das Reichswirtschaftsministerium nur noch folgende Einrichtungen bestehen:
1. Kalisyndikat (als Vertriebsgemeinschaft) (Kaliwirtschaftsgesetz §§ 3 - 15)
2. Kaliprüfungsstelle (a.a.O., §§ 16 - 36) und die dazugehörige Berufungskommission (§§ 37 - 38)
3. Landwirtschaftlich-technische Kalistelle (§§ 39 - 43. Mit Beteiligung des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie des Reichsnährstandes).
Der Reichskalirat verschwand somit ab 1. Januar 1934 völlig, er folgte den beiden Lohnprüfungsstellen nach. An den Zuständigkeiten der drei genannten Einrichtungen, die erhalten blieben, änderte sich nichts. Der seit 1910 gut eingespielte Apparat des kaliwirtschaftlichen Zwangskartells und der für Produktions- und Absatzplanung tätigen Kaliprüfungsstelle sagte den nationalsozialistischen Machthabern durchaus zu, vertrug er sich doch weitgehend mit ihren - im übrigen aus anderer Auffassung erwachsenen und vielfach noch weitergehenden - Anschauungen von staatlicher Wirtschaftslenkung, die sie eben jetzt (1934) in größtem Umfang zu verwirklichen begannen. Die Oberaufsicht des Reiches wurde wie seit 1919 fernerhin durch das Reichswirtschaftsministerium ausgeübt, aber dessen Befugnisse reichten erheblich weiter als vordem; denn in allen Fällen, wo nach den Vorschriften von 1919 der Reichskalirat als Mittler zwischen Reich und Wirtschaft eingeschaltet war, konnte der Reichswirtschaftsminister jetzt unmittelbar selbst entscheiden.
Die Errichtung der Reichsstelle für Kali und Salz in Berlin durch Verordnung des Reichswirtschaftsministers vom 9. September 1939 (Reichsanzeiger Nr. 211 vom 11. Sept. 1939, S. 2, ebenda auch die gleichzeitige Bekanntmachung über die Zuständigkeit dieser Reichsstelle) ließ die bisherigen Einrichtungen unberührt. Denn die Tätigkeit der Reichsstelle erstreckte sich nur auf die Überwachung des Warenverkehrs mit Kali und Salz auf Grund der Vorschriften über den Warenverkehr in der Fassung vom 18. August 1939 (RGBl. I, S. 1430 ff.). Namentlich der Außenhandel mit Kali (Lenkung des Auslandsabsatzes) bedurfte wegen der Devisenvorschriften einer Überwachung durch die Reichsstelle. Der deutsche militärische Zusammenbruch an fast allen Fronten seit August 1944 ließ die Tätigkeit dieser Reichsstelle als überflüssig erscheinen, so dass im Februar 1945 ihre Auflösung im Reichswirtschaftsministerium erwogen wurde.
Dagegen wurde das Fortbestehen der Kaliprüfungsstelle auch damals gutgeheißen; ihre Aufgaben waren durch das Kaliwirtschaftsgesetz bestimmt, und die Auflösung der Stelle wäre mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen. Die Kapitulation vom 8. Mai 1945 führte das Ende sämtlicher Kalieinrichtungen herbei. Von ihnen waren die Kaliprüfungsstelle und die Reichsstelle für Kali und Salz seit 1943 von Berlin nach Eisleben verlagert. Dort wurden die Abwicklungsstelle der Reichsstelle bereits im Juni 1945, die der Kaliprüfungsstelle im April 1946 durch die sowjetische Besatzungsmacht aufgelöst.
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