Reichstag des Deutschen Reiches

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Reichstag des Deutschen Reiches 
Geschichte des Bestandsbildners Der Norddeutsche Bund war 1866 zunächst als Militärbündnis, ab 1867 als Bundesstaat gegründet worden und umfasste unter preußischer Vorherrschaft die deutschen Staaten nördlich des Mains. Am 12. Februar 1867 wurde auf der Grundlage des Frankfurter Reichswahlgesetzes von 1849 ein Konstituierender Reichstag gewählt. Für die Wahl waren die Gebiete des Norddeutschen Bundes in 297 Wahlbezirke geteilt, von denen 236 in Preußen lagen. Je ein nach absolutem Mehrheitswahlrecht bestimmter Abgeordneter wurde pro Wahlkreis in den Reichstag entsandt. Es galt das allgemeine, gleiche und direkte Männerwahlrecht. Wahlberechtigt waren dabei Männer ab 25 Jahren mit Ausnahme von Angehörigen des Militärs, Behinderten, Männern, die zuvor Armenhilfe bezogen hatten, und jenen, denen die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen worden waren. Wenn keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erreicht hatte, entschied eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten. Der Konstituierende Reichstag beriet den Verfassungsentwurf der Regierungen und nahm ihn mit Änderungen an. Dies war seine einzige Aufgabe, nach deren Erfüllung er aufgelöst wurde. Es folgte am 31. August 1867 die Wahl zum Reichstag des Norddeutschen Bundes. Sie fand nach denselben Grundsätzen statt wie die Wahl zum Konstituierenden Reichstag. Eine Legislaturperiode dauerte nach Art. 24 der Verfassung des Norddeutschen Bundes drei Jahre. Zu einer zweiten Wahl kam es allerdings zunächst wegen des Deutsch-Französischen Krieges, später wegen der Gründung des Deutschen Reiches nicht mehr. Der Reichstag war die Volksvertretung des Norddeutschen Bundes. Er war gemeinsam mit dem Bundesrat, dessen Mitglieder durch die Landesregierungen gestellt wurden, für die Gesetzgebung zuständig. Durch das Haushaltsbewilligungsrecht konnte das Parlament seine Kontrollfunktion über die Regierung ausüben. Allerdings galt dieses Recht nur sehr eingeschränkt für Militärausgaben, die zugleich den größten Posten des Reichshaushalts ausmachten. Ebenso verfügte das Parlament über das Recht zu Steuerbewilligungen. Zum Deutschen Zollverein hatten sich bereits 1834 Länder des Deutschen Bundes zum Zwecke einer vereinfachten Zoll- und Handelspolitik zusammengeschlossen. Das zu ihm gehörige Gebiet umfasste von Beginn an auch die süddeutschen Staaten und erweiterte sich bis 1871 sukzessive, blieb dabei aber stets preußisch dominiert. Als sich 1867 die Staaten des Norddeutschen Bundes zusammenschlossen und einen Bundesstaat gründeten, wurde eine grundlegende Reform des Zollvereins notwendig. Die Zollvereinskonferenz vom Juni 1867 beschloss erstmals die Schaffung von föderalen Strukturen, mithin einem Bundesrat und einem Zollparlament für die legislativen Aufgaben. Das 1868 erstmals zusammengerufene Zollparlament setzte sich dabei aus den Mitgliedern des Reichstags des Norddeutschen Bundes und 85 süddeutschen Abgeordneten zusammen. Dazu fanden in 85 süddeutschen Wahlbezirken Wahlen im Wesentlichen nach denselben Regelungen wie bei denen für den Reichstag des Norddeutschen Bundes statt. Obwohl das Zollparlament ein staatsähnliches Organ war, das durchaus als Vorgriff auf den bundesstaatlichen Zusammenschluss von Nord- und Süddeutschland verstanden werden kann, obsiegten bei den Wahlen zumeist jene Kandidaten, die einer deutschen Einigung eher entgegenstanden. In den Ländern nördlich des Mains wurde nicht gewählt - hier waren die Abgeordneten des Reichstags des Norddeutschen Bundes ab 1868 in Personalunion auch zugleich Abgeordnete des Zollparlaments. Dieses umfasste somit 382 Abgeordnete. Zwischen 1868 und 1870 trat das Zollparlament zu drei Sitzungsperioden zusammen. Nach Gründung des Deutschen Reiches wurde am 3. März 1871 der Deutsche Reichstag nach absolutem Mehrheitswahlrecht gewählt. Auch diese Wahlen fanden nach allgemeinem, gleichem und geheimen Männerwahlrecht statt, wobei Männer ab 25 Jahren wählen durften. Festlegungen waren zunächst im Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes von 1869 geregelt (vgl. Art. 20 Reichsverfassung von 1871). Der Reichstag bestand zunächst aus 382, ab 1874, als 15 elsaß-lothringische Abgeordnete hinzukamen, aus 397 Mitgliedern. Eine Legislaturperiode dauerte zunächst drei, ab 1888 fünf Jahre. Der Reichstag tagte auch während des Ersten Weltkrieges. Die Befugnisse und Aufgaben des Reichstags und seiner Mitglieder waren in einem eigenen Abschnitt der Verfassung des Deutschen Reiches geregelt (Art. 20-32). Der Reichstag übte zusammen mit dem Bundesrat, der stets zustimmungspflichtig war, die Gesetzgebung aus. Seine Kernkompetenz bestand im Budgetrecht, also seiner Zustimmungspflicht zum Reichshaushalt. In gewissen Grenzen übte er die Kontrolle der Regierung aus. Zudem war es ihm möglich, über Debatten eine Öffentlichkeit herzustellen. Gleichwohl blieben das Recht der Einberufung, Vertagung und Auflösung des Reichstags nach Art. 12 der Reichsverfassung beim Kaiser. Der Reichstag des Deutschen Reiches handelte wie zuvor das Zollparlament und der Reichstag des Norddeutschen Bundes nach der Geschäftsordnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes von 1868. Diese legte sechs Ständige Ausschüsse (1. Geschäftsordnung, 2. Petitionen, 3. Handel und Gewerbe, 4. Finanzen und Zölle, 5. Justizwesen und 6. Reichshaushalt) fest. Nach einer Überprüfung der Reichstagsarbeit wurden die Ausschüsse Nr. 3 bis Nr. 5 nicht mehr als Ständige Ausschüsse eingesetzt, zusätzlich aber eine „Kommission für die Rechnunge" einberufen. Zudem gab es mit der neuen Geschäftsordnung von 1876 auch eine Wahlprüfungskommission. Insofern bestanden seitdem fünf Ständige Ausschüsse. Weitere Ausschüsse wie beispielsweise Untersuchungsausschüsse kannte weder die Reichsverfassung von 1871 noch die Geschäftsordnung von 1868, wodurch diese im Reichstag des Kaiserreichs ebenso wenig vorhanden waren wie zuvor im Reichstag des Norddeutschen Bundes oder im Zollparlament. Der Reichstag konnte sich aber bei der von der Regierung eingesetzten Enquete beteiligen. Im Kaiserreich nahm der Haushaltsausschuss eine Sonderstellung ein und wurde daher auch Hauptausschuss genannt. Nach der Novemberrevolution 1918, der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Republik wurde am 19. Januar 1919 die Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung gewählt, die ab dem 6. Februar 1919 in Weimar, später in Berlin und kurzzeitig in Stuttgart tagte und neben ihrer legislativen Tätigkeit insbesondere die Verfassung des Deutschen Reiches ausarbeitete. Diese wurde am 11. August 1919 angenommen. Für den zu wählenden Reichstag sah die Verfassung der Weimarer Republik (WRV) eine Neuregelung mit weitreichenden Änderungen der Rechte und Kompetenzen des Parlaments vor. Die Nationalversammlung löste sich am 21. Mai 1920 auf. Am 6. Juni 1920 wurde der erste Reichstag der Weimarer Republik (noch vor der endgültigen Festlegung des Reichsgebietes) gewählt. Er trat am 24. Juni 1920 zusammen. Die Wahlen zum Reichstag der Weimarer Republik (wie bereits zu der Verfassunggebenden Nationalversammlung) unterschieden sich in einigen Punkten erheblich von denen in der Kaiserzeit. Zum einen wurde nun nach einem Verhältniswahlrecht gewählt, zum anderen das Mindestalter der Wahlberechtigten auf 20 Jahre verringert und zum dritten waren fortan auch Frauen aktiv und passiv wahlberechtigt. Die Republik war in 35 Wahlkreise eingeteilt, die jeweils über Wahllisten verfügten. Der Reichstag wurde alle vier Jahre in allgemeiner, gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Da dabei 60.000 Stimmen einem Abgeordnetenplatz entsprachen, schwankte die Zahl der Mitglieder des Reichstags: Umfasste der erste ordentliche Reichstag 1920 beispielsweise 466 Abgeordnete, hatte der am 5. März 1933 gewählte letzte Reichstag der Weimarer Republik 647 Mitglieder. Obgleich eine Legislaturperiode eigentlich vier Jahre betrug (Art. 23 WRV), wurde insbesondere in der Spätphase der Republik der Reichstag wiederholt aufgelöst. Die Regierungsgeschäfte wurden per Notverordnung ausgeübt. Neben dem Recht des Reichstags auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen (Art. 34 WRV) schrieb die Reichsverfassung von 1919 die Einsetzung eines Auswärtigen Ausschusses vor, der mit besonderen Befugnissen ausgestattet war (Art. 35 I WRV): Er durfte außerhalb der Sitzungsperiode des Reichstags, auch nach Beendigung der Wahlperiode oder der Auflösung des Reichstags bis zum Zusammentritt des neuen Parlaments tagen. Zudem forderte die Reichsverfassung von 1919 die Einberufung eines Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung (Art. 35 II WRV), auch „Überwachungsausschus" genannt. Beide Ausschüsse hatten nach der Verfassung die Rechte eines Untersuchungsausschusses. Die neue Geschäftsordnung des Reichstags von 1922 schrieb 22 Ständige Ausschüsse vor und sah zudem die Möglichkeit vor, weitere Ständige Ausschüsse zu bilden sowie Sonderausschüsse für einzelne Angelegenheiten einzuberufen. Der Reichstag war insbesondere für die Gesetzgebung, den Haushaltsplan und die Kontrolle der Regierung zuständig. Seine Befugnisse reichten weit: So konnte er Minister oder die gesamte Regierung durch Misstrauensvoten absetzen und Notverordnungen des Reichspräsidenten aufheben. Allerdings konnte der Reichspräsident nach Art. 25 WRV den Reichstag auflösen, wenngleich nicht zweimal mit derselben Begründung. Dies führte am Ende der Weimarer Republik zu der Entstehung von Präsidialkabinetten, mithin zu einer Entmachtung des Reichstags. Die Reichstagswahlen am 5. März 1933 waren die letzten Wahlen, zu denen Kandidaten verschiedener Parteien antraten. Doch schon diese Wahl kann nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten nur mit großen Einschränkungen als die letzte freie Wahl des Reichstags der Weimarer Republik bezeichnet werden. Mit der Annahme des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich („Ermächtigungsgeset") vom 23. März 1933 wandelte der Reichstag seine Funktion von einem Legislativ- zu einem Akklamationsorgan. Das Parlament konnte fortan keine Kontrolle der Regierung mehr ausüben und trat nur noch selten (19 Mal), zuletzt am 26. April 1942, zusammen. Zu den Reichstagswahlen vom 30. November 1933 trat nur noch eine Einheitsliste an. Der Reichstag war fortan ein Scheinparlament. Die in der Weimarer Reichsverfassung in Art. 35 vorgeschriebene Bestellung von Ausschüssen wurde zwar formal vollzogen, diese aber nicht mehr einberufen. Bei den zwei folgenden Reichstagswahlen (29. März 1936 und 10. April 1938) wurden keine Ausschüsse mehr bestellt. Mit dem Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode des Großdeutschen Reichstags verlängerte Hitler am 25. Januar 1943 die Wahlperiode bis zum 30. Januar 1947, um eine Wahl während des Zweiten Weltkrieges zu verhindern. Trotz seines Daseins als reines Akklamationsorgan war das Parlament während der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund der hohen Wahlbeteiligung (wie zuvor entsprachen je 60.000 Stimmen einem Abgeordnetenplatz) und aufgrund der Gebietserweiterungen des Deutschen Reichs größer als zu Zeiten der Weimarer Republik: es umfasste seit 1938 857 Abgeordnete. Sowohl die Reichstage des Norddeutschen Bundes, des Kaiserreichs wie auch jene der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus kannten das Amt des Reichstagspräsidenten und eines Seniorenkonvents, später Ältestenrats. Waren die Befugnisse des Reichstagspräsidenten während des Kaiserreichs nicht auf der Ebene der Verfassung geregelt, schrieb die Weimarer Reichsverfassung seine Rechte und Pflichten in Art. 28 WRV fest. 
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